Kindergärten als Luxus?

In Findorff melden immer mehr Eltern ihre Kinder in öffentlichen Kindergärten ab und wechseln zu privaten Einrichtungen. Es droht eine Abwärtsspirale, unter der die Ärmsten leiden könnten

Bremen taz ■ Ariane Schindler hat sich entschieden. Nach den Ferien wird ihre Tochter Noemi nicht mehr die Kita in der Dresdener Straße besuchen, sondern einen privaten Kindergarten. Die Findorfferin kann es sich leisten. 50 Euro mehr müsse sie aufbringen, zusätzlich zu den rund 80 Euro, die sie als Zahlerin des Höchstsatzes ohnehin entrichte.

Ariane Schindler und viele andere Eltern sind sauer, weil ihre Kita geschlossen werden soll. So lauten jedenfalls erste Gerüchte. Noch steht das endgültige Konzepte über Standorte und Zusammenlegungen der Kitas in Bremen aus. Bis dahin hält sich das Ressort bedeckt. „Vorerst bleibt alles so, wie es ist“, sagt Sprecherin Petra Kodré. Dennoch haben die Eltern aus dem Beirat vernommen, dass nach den Ferien 2006 die Kinder in die Kita in der Leipziger Straße um die Ecke gehen sollen. In der Dresdener Straße soll ein Hort entstehen. Viele Eltern entsetzt diese Vorstellung. Ohnehin genervt von ständigen Personalwechseln und Ungewissheiten, ist für viele das Ende der Fahnenstange erreicht. „Ich möchte nicht, dass mein Kind in einen Riesen-Kindergarten geht, wo die Erzieher keinen Überblick über 120 Kinder haben können“, sagt Ariane Schindler, die sich bewusst für die Dresdener Straße entschieden hat. Sie überzeugten pädagogisches Konzept, Lage und Personal. Jetzt sagt sie: „Der Staat verabschiedet sich aus der Kindererziehung.“

Ähnlich ging es Katharina Barthel. Sie zog vor eineinhalb Jahren nach Bremen, um einen neuen Job zu finden. Sohn Jan sollte einen Ganztagesplatz bekommen – Fehlanzeige. Die Sozialbehörde habe dem chronisch kranken Jungen nicht den speziellen Mehrbedarf zugebilligt. Seine Mutter ist froh, dass sie Jan zumindest vormittags an fünf Tagen in die Kita bringen kann. Wenn sie könnte, würde auch sie nach einem anderen Platz Ausschau halten. Doch sie hat Angst, dass das Geld nicht reicht, um Jan in einem privaten Kindergarten unterzubringen. „Es war schon schwierig hier die Unterbringung hinzubekommen, wie soll das erst werden, wenn ich weitere Zuschüsse beim Amt beantragen muss?“, fragt die Mutter. „Integrationsplätze bleiben sowohl an der Dresdner wie an der Leipziger Straße bestehen“, so Ressort-Sprecherin Kodré.

Christiane Gröne hat keine Angst vor einem Kita-Wechsel. Sie hat ihr Kind bei den „Finkids“ angemeldet, einem Kindergarten der von der Hans-Wendt-Stiftung getragen wird. Hier gibt es mehr Personal als in der Dresdener Straße und ein offenes, gruppenübergreifendes Konzept. Für die Halbtagsbetreuung hat Christiane Gröne einen der letzten Plätze bekommen. Die Hartz IV-Empfängerin hofft auf staatliche Zuschüsse, sie kann nur den Mindestbetrag aufbringen. Den Rest übernimmt auf Antrag das Amt für Soziale Dienste, wie das Sozialressort bestätigt.

Für viele Eltern ist das kein Trost, gerade weil sie den Kindergarten an der Dresdener Straße ausgesucht haben. Ali Derizioglu nimmt mit Sohn Yunus (3) jeden Tag einen weiteren Weg auf sich, weil ihn die Arbeit in der Dresdener Straße überzeugte. „Wenn ich den Höchstbetrag zahle, will ich dafür auch eine ordentliche Betreuung“, sagt er: „Eigentlich wollten wir keinen privaten Kindergarten, aber jetzt schauen wir uns um.“

Wenn immer mehr Eltern ihre Kinder abmelden, besteht die Gefahr, dass die Kita in eine Abwärtsspirale gerät. Die Anwahlzahlen waren über Jahre konstant, jetzt gehen sie zurück. Dadurch wird die Ausstattung der Kita erneut auf den Prüfstand gestellt, was wiederum Eltern davon überzeugen könnte, ihre Kinder woanders anzumelden. Und so weiter.Dann könnte das noch in Arbeit befindliche Kita-Standort-Konzept schnell wieder hinfällig werden. Zurück bleiben könnten diejenigen, die sich die teureren privaten Kindergärten nicht leisten können oder nicht mobil genug für einen Umzug sind. Kay Müller