„Bilder voller Energie“

Vorstellung des Bilderatlasses von Aby Warburg

■ 58, lebt als Kunsthistoriker mit Schwerpunkt Situationismus in Hamburg und arbeitet als Journalist für diverse Zeitschriften.Foto: privat

taz: Herr Ohrt, was ist an dem 1929 verstorbenen Kunsthistoriker Aby Warburg heute noch interessant?

Roberto Ohrt: Erst seit zehn Jahren reden Kunsthistoriker über die Deutung des Bildes. Für diese Wissenschaft hat Warburg entscheidende Grundlagen geschaffen. Denn er hatte ein Verständnis von der Energie eines Bildes, das unüblich ist. Er sah es nicht als Ding, sondern als Form, in der Kraft und Wissen steckt. Diese Energie zu aktivieren, kann aber gefährlich sein.

Inwiefern?

Warburg hat zum Beispiel das Motiv der Nymphe analysiert bis zu der Form, in der sie Orpheus erschlägt. Erst tritt sie als eine Fortuna auf, die Früchte bringt; doch er entdeckte in ihr auch eine Dämonin und dokumentierte diese Wandlung.

Warum hat er einen Bilderatlas erstellt?

Er wollte etwa 2.000 Bilder aus der Kunstgeschichte auf mehreren Tafeln in Beziehung setzen und sie wie ein Gedächtnis europäischer Kultur aufbauen. Wenn man diese Bildersammlung heute versucht, zu benennen, entsteht eine Geschichte, meist auch eine Theorie.

Was war Warburg für ein Mensch?

Er hat sich stets gegen die Grenzen des Wissens gewandt und dafür plädiert, sie zu überschreiten. Daher hat er sich so stark mit Bildern beschäftigt: In ihnen ist Wissen konzentriert, und die Bilder sprechen es aus.INTERVIEW: AMA

Ausstellung „Mnemosyne – der Bilderatlas von Aby Warburg“: 19 Uhr, 8. Salon, Trommelstraße 7