heute in bremen: „Ernährung ist auch Bildung“
Marie Pigors
34, ist Betriebsleiterin des Naturkost Kontor.
Interview Alina Götz
taz: Welchen Stellenwert hat privater Konsum auf dem Weg zur Klimaneutralität?
Marie Pigors: Einen enorm hohen. Denn mit jedem Einkauf entscheidet man, ob man etwas fürs Klima tut – oder ob einem das im Moment nicht so wichtig ist, wie das, was man kaufen möchte. Mit Kaufentscheidungen lässt sich die Politik außerdem in eine Richtung drängen; Verbraucher haben hier viel Einfluss.
Aber allein am CO2-Output gemessen, gibt es doch sehr viel drängendere Bereiche.
Am Konsum klimaschädlicher Güter hängt ja noch mehr dran. Zum Beispiel die Abholzung des Regenwaldes für Futtermittel, die dann importiert werden. Und es ist ja am Ende die Summe, die den Unterschied machen kann: Wenn auf einmal alle Bremer und Bremerinnen kein Billigfleisch mehr kaufen würden, wäre das enorm. Es reicht auch, klein anzufangen. Man sollte nicht zurückschrecken, weil die Aufgabe so groß erscheint. So darf man nicht denken.
Die Bio-Stadt Bremen ist für die Umsetzung des Aktionsplans 2025 zuständig. Der Plan soll mehr Bio in der öffentlichen Gemeinschaftsverpflegung verankern. Wie läuft das zurzeit?
Im Herbst hatten wir einen ziemlichen Konflikt, weil die Bio-Stadt Bremen Mittel bekommen hat, um das Projekt „Training Kitchen“ umzusetzen – und die Ausschreibung hatte „Chefs Culinar“ gewonnen. Und Akteure wie die sind ja genau das Problem. Also bei der Training Kitchen hakt es etwas, aber ansonsten ist das Thema Bio präsent: Köche und Köchinnen an Schulen und in Kitas, die ich so kenne, sind total bemüht. Alle scheinen zumindest schon mal etwas von dem Plan gehört zu haben.
Abgesehen von der öffentlichen Versorgung: Welchen Einfluss hat die Bremer Politik überhaupt auf unser Konsumverhalten?
Online-Panel „Nachhaltiger Konsum und Klimaschutz – Bremen auf dem Weg zur Bio-Stadt?”, mit Jana Rückert-John, Marie Pigors, Peter Bargfrede, Mücella Demir: 17.30 Uhr, Anmeldung unter bit.ly/3q5KiUa
Ernährung ist auch Bildung, daran muss die Politik denken. Früher stand der Schulgarten auf dem Lehrplan, heute gibt es das nur noch in Thüringen. Aber wenn Kinder lernen, wie viel Arbeit es ist, eine Möhre zu ziehen, dann lernen sie den Wert der Lebensmittel mehr zu schätzen. Die Politik sollte sich außerdem dafür einsetzen, dass Lebensmittelpreise die versteckten Kosten der Produktion widerspiegeln. Würde man die Kosten, die durch umweltschädliche Produktion entstehen, auf die Lebensmittelpreise aufschlagen, würden sich die Preise für tierische Produkte verdreifachen. Umweltverschmutzer dürfen nicht mehr mit einem Finanzvorteil davonkommen, weil nicht sie selbst für die Folgekosten ihres umweltschädlichen Handelns aufkommen müssen, sondern die Allgemeinheit.
Gäbe es denn genug regionale Bio-Kartoffeln für alle?
Ja, ohne Ende! Allein unsere Bauern vom Naturkost Kontor kriegen ihre Ware gar nicht über Bremen verkauft.
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