Ton ohne Träger

Apple macht’s vor: Informationen lösen sich von ihren Trägermedien. CDs und Papier sind Geschichte

MP3 war nur der Anfang: Mit dem Dateiformat hat sich der Ton vom Träger gelöst. Die restlichen Medien werden in absehbarer Zeit folgen. Platten, CDs und Musikkassetten sind Medien für DJs, Sammler und Autofahrer, die sich immer noch für jede Urlaubsfahrt die passende Mixkassette zusammenbasteln. In der U-Bahn, in der Fußgängerzone oder am hippen Stadtstrand hört man Musik aus dem MP3-Player und auf Studentenpartys legt niemand mehr versiffte Oasis-CDs auf. Stattdessen läuft ein Computer, auf dem eine MP3-Playlist abgespielt wird.

Der Computerhersteller Apple schuf mit dem iPod den passenden Digitalwalkman und mit der Internetplattform iTunes gleich noch die passende Downloadplattform für das neue Musikgeschäft. Jetzt bastelt man bei Apple offenbar an einem neuen Trend: Nach einem Bericht des Wall Street Journal will Apple künftig auch Musikvideos per iTunes zum Verkauf und Download bereitstellen – entsprechende Gespräche mit Warner Music, EMI, Vivendi Universal und Sony BMG habe Apple bereits geführt. Für Menschen, die Musikvideos dann auch in der U-Bahn oder am Stadtstrand schauen möchten, plant Apple offenbar noch in diesem Jahr, einen Video-iPod auf den Markt zu bringen.

Auch das Fernsehbild löst sich damit von seinem klassischen Trägermedium, dem Fernsehapparat. Bei Apple steckt man angeblich in Verhandlungen mit mehreren TV-Konzernen, um künftig auch Fernsehshows und andere Programme online zu verkaufen. Und T-Systems will bei der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 Spielausschnitte und Statistiken auf fernsehfähige Handys oder PDAs übertragen. Die Tage der Glotze sind gezählt.

1913 stellte der Wissenschaftler und Journalist Wolfgang Riepl fest, dass Medien einander nicht substituieren, sondern ergänzen. Das Riepl’sche Gesetz beruhigte also seit jeher diejenigen, die befürchteten, dass das Radio die Zeitung oder das Fernsehen das Radio verdrängen könnte. Dass sich die Information von ihrem Trägermedium lösen würde, hat Riepl aber nicht vorhersehen können. Auch Zeitungen, Zeitschriften und Bücher werden sich vom Papier lösen: Ende voriger Woche stellte der Elektronikkonzern Futjitsu ein biegsames Farbdisplay vor. Künftig könnten diese Displays die Haptik von bedrucktem Papier mit den Vorzügen des Internets verbinden.

Schon jetzt experimentieren einige Verlage mit interaktiven Multimedia-Zeitungen. Derzeit allerdings noch im Internet. Die norwegische Verlagsanstalt Fast Forward Media Group bietet unter www.magwerk.com einen kleinen Vorgeschmack auf die papierlose Zukunft. Mit Flash-Animationen wird auf den Seiten ein blätterbares Magazin simuliert. PHILIPP DUDEK