Strahlende Kupferkapseln

Schweden ist nie aus der Atomenergie ausgestiegen, doch wenigstens hat es schon einen Endlager-Standort. Allerdings ist die Methode der Lagerung umstritten

Aus Stockholm Reinhard Wolff

Wie Schwedens Atomindustrie sich die „Lösung“ des Atommüllproblems vorstellt, darüber kann man sich derzeit schon im „Äspö-Labor“ einen Eindruck verschaffen. Dort, unweit des AKW Oskarshamn, von dessen ursprünglich drei Reaktoren noch einer in Betrieb ist, liegt diese Forschungsanlage in einem bis zu 450 Meter tief in das Felsgestein gesprengtem Tunnelsystem. Teile der Anlage, die vor 25 Jahren in Betrieb genommen wurde, können auch besichtigt werden.

Die im Eigentum der schwedischen AKW-Betreiber stehende Atommüllgesellschaft SKB (Svensk Kärnbränslehantering), die für Planung, Bau und Betrieb künftiger Endlagerstätten zuständig ist, erforscht dort, wie ein unterirdisches Endlager angelegt werden muss und wie die Kapseln, in denen der hoch radioaktive Müll landen soll, konzipiert sein müssen, um die schwedischen Sicherheitsvorschriften zu erfüllen.

„Mindestens 100.000 Jahre Sicherheit für Mensch und Natur“ verspricht SKB mit der „KBS 3“-Methode, auf die man sich seit Ende der 1970er-Jahre konzentriert hat. Die abgebrannten Brennstäbe sollen in 6.000 je zwei Tonnen schweren Kupferkapseln von fünf Meter Länge und einem Meter Durchmesser eingelagert und in einem Bett aus Betonit in einer 500 Meter tief im Felsgestein angelegten Tunnelanlage aufbewahrt werden. Gefüllt wiegen diese Kapseln dann je 25 bis 27 Tonnen und sollen Erdbeben und künftige Eiszeiten unbeschädigt überstehen können.

Die Suche nach einem Ort für ein derartiges Endlager gestaltete sich allerdings nicht ganz einfach. 1992 veröffentlichte SKB eine Liste geologisch geeigneter Regionen und warb in den fraglichen Kommunen um Zustimmung. Ursprünglich hatte man gehofft, ein solches Endlager irgendwo im dünn besiedelten Nordschweden anlegen zu können. Umfragen zeigten nämlich, dass drei Viertel der SchwedInnen den Atommüll keineswegs in ihrer Nähe haben wollten.

Doch auch in Nordschweden ließ sich die Bevölkerung von der Aussicht auf angeblich bis zu tausend neue Arbeitsplätze nicht locken. Örtliche Bürgerinitiativen organisierten den Widerstand, und als mehrere kommunale Volksbefragungen sich gegen so eine Anlage aussprachen, änderte SKB die Strategie. Nun versuchte man den Gemeinden, in denen es bereits atomtechnische Anlagen gab, also vor allen an den Standorten der drei AKWs – Ringhals an der West- sowie Oskarshamn und Forsmark an der Ostküste –, ein Endlager schmackhaft zu machen.

Tatsächlich war der Widerstand im Schatten der Atommeiler, wo große Teile der Arbeitskraft schon von der Atomenergie abhängig sind, wesentlich geringer. Die Entscheidung fiel auf Östhammar nördlich von Stockholm, wo das AKW Forsmark liegt. Am 13. Oktober 2020 gab eine Mehrheit der dortigen Kommunalvertretung grünes Licht für die Pläne. Vier Monate zuvor hatte das gleiche Gremium eine unter anderem von der Grünen geforderte Volksabstimmung unter den rund 22.000 EinwohnerInnen abgelehnt.

Die endgültige Entscheidung liegt nun bei der Regierung in Stockholm. Und die muss sich mit einem ganzen Bündel kritischer Rapporte auseinandersetzen. So mit der 566 Seiten langen Stellungnahme eines Umweltgerichts, das nach siebenjähriger Prüfung grundsätzliche Zweifel an der „KBS 3“-Methode angemeldet hat. Versuche, die von der Atomwirtschaft unabhängige Korrosionsforscher durchgeführt haben, ergaben teilweise dramatisch höhere Korrosionswerte als die von SKB zu Grunde gelegten. Danach könnte die Stabilität der Kupferkapseln schon nach weniger als der Hälfte der von SKB behaupteten Haltbarkeitsdauer – einige Studien rechnen sogar mit lediglich wenigen Hundert Jahren – so geschwächt sein, dass diese kollabieren könnten. Dadurch könnten Plutonium und andere radioaktive Elemente direkten Kontakt mit den Gesteinsschichten und dem Grundwasser bekommen.

Müsste eine alternative Endlagermethode entwickelt werden, wäre der jetzige Zeitplan nicht zu halten. Bei dem geht SKB von einem Baubeginn im Jahr 2030 und der Inbetriebnahme im Jahr 2045 aus.