Anna Lehmann über Corona und die Bildungsmisere
: Weniger Druck, weniger Tempo

Wenn sich am Mittwoch die Mi­nis­ter­prä­si­den­t:in­nen der Länder erneut mit Kanzlerin Angela Merkel treffen, wird eines der zentralen Themen die Öffnung der Schulen sein. Mehrere Länder haben Pläne vorgelegt, in denen sie klare Kriterien verabreden wollen, ab wann die ersten Schü­le­r:in­nen wieder in die Klassenräume dürfen. Die Bundesbildungsministerin hat am Montag Empfehlungen vorgestellt, wie der Unterricht dann stattfinden kann – mit Masken, geteilten Klassen und regelmäßigem Lüften. Alles wichtig und hilfreich. Doch es müssten andere Fragen im Zentrum stehen, nämlich: Wie können Kinder, die monatelang nicht mehr zur Schule gehen konnten, den Rückstand aufholen? Wie wird Chancengleichheit zumindest versucht, wenn neben dem einen Kind ambitionierte Eltern sitzen und das andere von der lärmenden Großfamilie umgeben ist? Was ist mit Zensuren, was mit Prüfungen?

Die Kul­tus­mi­nis­te­r:in­nen haben im Januar beschlossen: Die in diesem Jahr erworbenen Abschlüsse werden denen früherer und späterer Jahrgänge gleichwertig sein. Das ist – mit Verlaub – Bullshit. Die Abiturienten und die Zehntklässler:innen, die in wenigen Wochen Abschlussprüfungen antreten sollen, haben mehrere Monate keinen regulären Unterricht gehabt und sitzen seit Dezember wieder zu Hause. Sie werden natürlich keine Prüfungen machen, die denen der Jahrgänge vor ihnen vergleichbar sind. Wie auch. Manche haben seit September gerade mal eine Note pro Fach bekommen – die jetzt relevant für ihren Abschluss sein soll. Andere haben noch während des Lockdowns Sechsen kassiert, weil sie die digital erteilten Aufgaben nicht rechtzeitig abgegeben haben.

Dieses planlose Weiter-immer-weiter erhöht nur den Druck auf alle Beteiligten. Anstelle dessen gilt es jetzt, das Tempo zu drosseln und Druck rauszunehmen. Lehrpläne müssen entschlackt, Zensuren ausgesetzt, Prüfungen gestreckt werden. Und Schulen mit vielen Schü­le­r:in­nen aus armen Familien müssen bevorzugt unterstützt werden. Wie viel Bildungsarmut will sich Deutschland leisten?

inland