„Wir bleiben selbstständig. Das ändert kein Papier“

KIRCHENREFORM Der Chef der kleinsten evangelischen Kirche erklärt, warum er nicht fusionieren will

■ ist Chef der Evangelischen Landeskirche Anhalts mit 50.000 Mitgliedern. Er diskutiert derzeit in Kassel mit anderen Kirchenvertretern über die Kirchenreform.

taz: Herr Liebig, die derzeit in Kassel diskutierte Reform der evangelischen Kirche sah ursprünglich die Fusion von Landeskirchen vor. Dann fiele auch Ihre weg. Sind Sie sauer?

Joachim Liebig: Nein, solche Entscheidungen treffen die Synoden der souveränen Landeskirchen. Das Thema haben wir hinlänglich behandelt. Es steht weder bei der Evangelischen Kirche in Deutschland, EKD, noch bei uns oben auf der Tagesordnung.

Warum? Eigentlich sollte die Zahl der Landeskirchen auf etwa 12 halbiert werden.

Ja, das war eine Idee, die im Kirchenamt der EKD entstanden ist. Die anhaltische Synode hat darüber beraten und entschieden, selbstständig zu bleiben. Das bleibt so und kann auch durch EKD-Impulspapiere natürlich nicht geändert werden.

Handelten alle Landeskirchen wie Ihre, wären weite Teile der Reform Makulatur.

Das ist eine etwas einseitige Sicht auf das „Impulspapier“. Es enthält ja vier wesentliche Punkte: geistliche Profilierung, Schwerpunkte setzen, Beweglichkeit in den Formen und Außenorientierung statt Selbstgenügsamkeit. In unserer unmittelbaren Nachbarschaft gab es mit der Bildung der Kirche in Mitteldeutschland direkte Konsequenzen bezüglich der Struktur, andere, etwa bei der Nordkirche, sind auf dem Weg. Aber es bleibt dabei: Sowohl große als auch mittlere und kleinere Einheiten, zu denen wir zählen, haben ihre Berechtigung.

Eine fusionierte Kirche, die mitteldeutsche, umgibt Sie jetzt. War es da schwer, selbstständig zu bleiben?

Das war vor meinem Amtsantritt. Ich habe den Akten und Gesprächen entnommen, dass im Laufe der Verhandlungen deutlich wurde, dass dies für Anhalt der bessere und zukunftsweisende Weg sein würde.

Warum?

Weil diese Selbstständigkeit bei überschaubaren Kosten höhere Entscheidungsmöglichkeiten in sich trägt für einen sehr traditionsreichen Raum – immerhin feiern wir bald 800 Jahre Anhalt.

„Tradition“, das sagen alle.

Es ist auch kein echtes Argument. Es ist nur ein Gesichtspunkt, wenn so viel über Effizienz geredet wird. Solche Fragestellungen sind ja für die Kirche recht neu – und ob sie wirklich zukunftsweisend sind, wird sich erweisen.

INTERVIEW: PHILIPP GESSLER