Korrekte 50er-Jahre-Häuser

SANIERUNG Auch ältere Gebäude können Passivhäuser werden. Zwar steigen dann die Mieten, doch die Energiekosten sinken, wie zwei Beispiele aus dem Norden zeigen

■ Weltweit gibt es rund 40.000 Passivhäuser, die Hälfte davon steht in Deutschland.

■ Fast immer handelt es sich dabei um Neubauten.

■ Der jährliche Energieverbrauch darf 1,5 Liter Öl oder 1,5 Kubikmeter Erdgas pro Quadratmeter Wohnfläche nicht überschreiten.

■ In Hamburg soll der CO2-Ausstoß in diesem Jahr durch Wärmedämmung um knapp 160 Tonnen reduziert werden.

VON JOACHIM GÖRES

In Hamburg-Hamm haben die Architekten der Arbeitsgemeinschaft Energetische Sanierung (AGES) ein aus den 50er-Jahren stammendes Mehrfamilienhaus mit 26 Wohnungen 2011 zum Passivhaus umgebaut – eine Premiere in der Hansestadt. „Man muss die gesamte Gebäudehülle bearbeiten“, sagt AGES-Architekt Jan Günther. So wurden bei dem Haus in der Marienthaler Straße 92 neue Fenster mit Dreifach-Wärmeschutzverglasung eingesetzt, ein neues Dach aufgesetzt und auf der Fassade eine zwischen 22 und 30 Zentimetern starke Dämmung aufgebracht.

„Wärmebrücken“, die Energie unkontrolliert abgeben, wurden so weitgehend vermieden. In jeder Wohnung wurde eine Lüftungsanlage eingebaut, um Schimmelbildung zu verhindern. Ausgeführt ist sie als sogenannte Komfortlüftung: Die warme Abluft erwärmt die kalte Zuluft über einen Wärmetauscher, sodass der Luftaustausch auch zum Heizen der Wohnung genutzt werden kann.

Nur noch in Ausnahmefällen muss in der Marienthaler Straße 92 geheizt werden – für diesen Fall wurden Nachtspeicheröfen und Kohleheizungen entfernt und durch ein umweltfreundliches, gasbetriebenes Block-Heizkraftwerk ersetzt.

Je größer und kompakter das zu sanierende Gebäude, umso größer sei die Wahrscheinlichkeit, dass sich die für den Passivhausstandard nötigen Investitionen rechneten, sagt Architekt Günther. Bei einem Investitionsvolumen von 1,4 Millionen Euro gab es in Hamburg-Hamm einen Direktzuschuss von 35 Prozent, zwei Drittel davon kamen von der Hamburger Wohnungsbau-Kreditanstalt.

Ein Nachteil für die Mieter in Hamburg-Hamm war, dass sie monatelang Lärm und Dreck ertragen mussten – während des Umbaus wohnten sie weiter in dem Haus. Bewohnerin Natalie Wedler kann sich noch gut an das staubige Treppenhaus und die monoton dröhnenden Geräusche vom Gerüst vor ihrem Fenster erinnern. Trotzdem ist sie jetzt zufrieden: „Es zog früher durch die Fenster und ich habe einen hohen Abschlag auf die Nebenkosten gezahlt. Nach der Sanierung habe ich ein modernes Bad, ein Balkon wurde angebaut, die Lüftungsanlage ist leiser als ein Kühlschrank und das ganze Haus ist viel schöner als vorher.“

Wedlers Kaltmiete ist allerdings deutlich gestiegen: alle Mieter zahlen nach der Sanierung für ihre 54 Quadratmeter großen Wohnungen monatlich 525 Euro kalt. Besonders stark ist die Mieterhöhung für diejenigen, die schon seit Jahrzehnten mit einer sehr niedrigen Kaltmiete lebten. Natalie Wedler wohnt erst seit sechs Jahren hier, doch auch sie hofft, dass sich der Heizenergiebedarf tatsächlich, wie von den Architekten versprochen, um 95 Prozent verringern und die höhere Kaltmiete ausgleicht.

Schon länger Erfahrung mit der Wärmedämmung älterer Gebäude hat die Ostland Wohnungsgenossenschaft aus Hannover: 2006 und 2007 brachte sie in Hannover-Linden ein fünfgeschossiges Gebäude aus den 50er-Jahren auf Passivhausstandard. „Die von den Architekten berechneten Einsparungen beim Energieverbrauch sind tatsächlich mit ganz geringen Abweichungen eingetreten“, sagt Christian Watermann, bei Ostland für Technik zuständig.

Je größer und kompakter das Gebäude, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich die Investitionen rechnen

Bei der Sanierung wurde damals eine Lücke zwischen zwei Häusern geschlossen, die Wohnungen wurden dadurch größer – und barrierefrei, denn es wurden auch Fahrstühle eingebaut. Die Miete inklusive Heizkosten liegt nun im Schnitt bei 8,25 Euro pro Quadratmeter.

Von den ehemaligen Mietern wohnt fast niemand mehr an alter Stelle – vor der Sanierung zogen alle in Umsetzwohnungen. „Die meisten wollten nicht zweimal umziehen“, sagt Watermann. Nach dem Umbau seien wie erhofft größere Familien und alte Menschen eingezogen. „Wir hatten keine Probleme bei der Vermietung“, sagt Watermann.

Gerd Nord, Architekt beim Lindener Baukontor, war für die Planung mitverantwortlich. Seiner Ansicht nach müsse immer der konkrete Einzelfall untersucht werden, um zu entscheiden, ob eine Sanierung hin zum Passivhaus-Standard wirtschaftlich sinnvoll sei.

Aus Eigentümersicht spielten dabei eine Rolle: die Höhe der finanziellen Förderung, der aktuelle Zinssatz, die Kosten für die Umsetzung der Mieter, die angestrebten Mieteinnahmen nach der Sanierung und der technischen Aufwand für die energetische Sanierung eines in die Jahre gekommenen Gebäudes. „Manchmal“, sagt Nord, „rechnet sich der Abriss und Neubau eher.“