Rock die Bouzouki

FOLKPUNK Jachzen Bachzen sind die Geheimfavoriten von Down by the River im Kater Holzig. Sie inszenieren griechischen und israelischen Folk als mitreißenden Partykrawall

Jachzen Bachzen sind eine Retroband, aber eine gute

VON ANDREAS HARTMANN

Jachzen Bachzen, was bedeutet das? Zwei Definitionsmöglichkeiten bieten die Mitglieder der aus vier Israelis bestehenden Berliner Band an. Einmal: Der Name hat gar keine Bedeutung. Oder: Jachzen Bachzen steht für die unverständlichen Zischlaute der deutschen Sprache, die man als Israeli vernimmt, wenn man frisch nach Deutschland kommt. Die vier Musiker bieten dem Schreiber dieser Zeilen jedoch an, sich selbst eine ganz andere Definition auszudenken, kurz: Jachzen Bachzen kann einfach alles und nichts bedeuten.

Mit den großen Erklärungen haben es die vier, die man im sogenannten Rockhaus in Lichtenberg trifft, wo sie ihren Proberaum haben, sowieso nicht. Sie lassen sich auf nichts festlegen, auf Fragen antwortet jeder etwas anderes, und was auch immer man sagt, will am Ende gar nicht unbedingt so gemeint sein. Israel: ein schreckliches Land mit anstrengenden Menschen und einer schlimmen Regierung, aber, hey, lass uns bitte nicht über Politik reden. Religion, Judentum, koscheres Essen, damit wollen wir nichts zu tun haben, aber schreib doch bitte: Wir lieben den Rabbi trotzdem.

Die vier Mitglieder von Jachzen Bachzen sind eben die inzwischen fast schon als typisch anzusehenden, in Berlin gestrandeten Israelis. Vier Hipster, die in Neukölln und Kreuzberg mit anderen israelischen Hipstern in WGs leben, um in der Stadt der großen Freiheit Urlaub von dem ganzen Stress in Israel zu nehmen. Auch räumlich wollen sie Abstand haben von der israelischen Siedlungspolitik, von der Debatte über die iranische Atombombe, von den Ultraorthodoxen. Gegen Currywurst und Döner haben sie auch nichts einzuwenden.

Und sie sind in Berlin, weil zwar gefühlt fast jeder Israeli ein Musiker ist, aber die Chancen, es mit der eigenen Musik zu etwas zu bringen im kleinen Israel, einfach geringer sind als in der Musikmetropole Berlin. In Tel Aviv, wo sie herkommen, gebe es nur wenig Läden, in denen man auftreten könne, in Berlin dagegen würden sie andauernd irgendwo spielen. In der Supermolly, im Festsaal Kreuzberg oder auch mal als Straßenmusiker auf dem Boxhagener Platz. Und jetzt beim Down-by-the-River-Festival im Kater Holzig. Demnächst steht sogar eine kleine Deutschlandtour an, auf die sie sich unheimlich freuen, wie sie versichern.

Die vier wirken sehr zufrieden mit ihrer Wahlheimat Berlin, Ziggy Alcalai, der Organist und Klavierspieler der Band, behauptet gar, ein Winter- und Regentyp zu sein, weswegen ihm Berlin besonders gut gefiele. Nur Lorena Bandora, die Sängerin der Band, vermisst manchmal ihre Familie, sagt sie.

Darüber, dass Israelis immer mehr das Berliner Nacht- und Musikleben aufmischen, wurde schon des Öfteren berichtet. Die „Meschugge“-Partys sind geradezu legendär, und Bands wie Jachzen Bachzen könnten nun für etwas Oriental- oder Eastern-Flair in der Berliner Rock- und Indieszene sorgen. Denn neben den griechischen, persischen und hebräischen Vocals von Lorena Bandora ist das herausragende musikalische Merkmal von Jachzen Bachzen das Spiel auf der Bouzouki von Liad Vanounou. Die von griechischen Einwanderern nach Israel gebrachte Bouzouki, ein Langhalslauten-Instrument, ist dort äußerst populär. Auch bei Zohar Argov, einem in Israel legendären Sänger, hört man immer wieder die Bouzouki. Im Mizrahi, dem Pop der orientalischen Juden, ist sie kaum wegzudenken.

Auf Zohar Argov und Mizrahi beziehen sich auch Jachzen Bachzen, auf Volksmusik aus Griechenland und Israel. Der Dreh bei der Band ist jedoch, einem eher in der Weltmusik angesiedelten traditionellen Genre gehörig Rock ’n’ Roll einzuimpfen. Die Orgel und das Schlagzeug rumpeln wie bei einer Garagenrockband, und die Bouzouki wird elektronisch verstärkt und mit Effektgeräten bearbeitet. Herauskommt dabei eine mitreißende Partymusik, die einen an die türkische Psychedelik der frühen Siebziger erinnert, an Erkin Koray oder Baris Manco, die unter Hipstern von heute gerade wieder ziemlich hoch im Kurs stehen. Jachzen Bachzen sind eine Retroband, aber eine gute.

■ Neben Jachzen Bachzen spielen am Samstag ab 14 Uhr fast zwanzig Bands. Down by the River, Kater Holzig, Michaelkirchstraße 23