Grünenchefin über die Laschet-CDU: „Klar von rechts abgrenzen“
Berlins Grünenchefin Nina Stahr fordert von der Union jetzt klare Kante gegen rechts – im Bund und in Berlin. Es sei unklar, wofür die Partei stehe.
taz: Frau Stahr, ist mit der Wahl von Armin Laschet zum CDU-Bundesvorsitzenden eine Koalition zwischen Union und Grünen im Bund wahrscheinlicher geworden?
Nina Stahr: Erst mal kämpfen wir für ein starkes grünes Ergebnis. Die Klimakrise, die sich weitende Schere zwischen arm und reich in Deutschland, der Rechtsruck – für diese Herausforderungen braucht es starke Grüne bei der Bundestagswahl. Über Koalitionen unterhalten wir uns danach.
Sie betonen gerade die Bewältigung der Klimakrise: Da ist Armin Laschet mit seinem bisherigen Einsatz für Kohle doch der falsche Mann.
Wir müssen erst mal abwarten, wie sich die Union entwickelt: Laschets Wahl hat ja gezeigt, wie zerrissen die Partei ist. Die CDU weiß nach der Ära Merkel überhaupt nicht, wo sie hin will. Das macht mir – ganz ehrlich – ein bisschen Sorge.
Nina Stahr, 38, ist seit Ende 2016 Co-Chefin der Berliner Grünen und strebt bei der Wahl im September 2021 ein Bundestagsmandat an
Merz wäre ja ein Rückschritt in die 90er gewesen, Laschet nur in die Nullerjahre?
Was Merz erzählt hat, klang nach Vorgestern: Wer glaubt, Feminist zu sein, weil man Töchter hat oder verheiratet ist, der hat den Kampf für Frauenrechte nicht verstanden. Aber fast die Hälfte der Delegierten hat ihn gewählt! Die andere Hälfte hat für Laschet gestimmt, der nicht ganz im Vorgestern verhaftet ist, aber auch noch längst nicht im Heute angekommen ist geschweige denn im Morgen. Die CDU muss klären, was sie in den nächsten Jahren erreichen will und ihre Identität wieder finden. Wir Grüne haben die größere inhaltliche Übereinstimmungen mit der SPD – aber wie es ausgeht, werden wir erst am Wahlabend sehen.
Empfohlener externer Inhalt
Hat die Entscheidung der Bundes-CDU Auswirkungen auf die Berliner Landespolitik?
Die Berliner Union war unter Merkel kein Abbild der Bundes-CDU. Sie hat eher am rechten Rand gefischt; ihr Parteichef Kai Wegner hat ganz klar Friedrich Merz unterstützt. Und ich kann mir nicht vorstellen, dass die Berliner CDU von heute auf morgen in der Lage ist, sich klarer gegen rechts abzugrenzen.
Das erwarten Sie von der Union?
Die Demokratie wird im Moment ganz klar von rechts angegriffen. Das muss die Union endlich realisieren. Und das muss auch auf Bundesebene noch mal klar gezogen werden.
Im Kampf gegen rechts ist Laschet wohl eher eine Hilfe als Merz.
Auch das muss er erst mal unter Beweis stellen.
Angesichts der Pandemie fragen sich viele PolitikerInnen, wann der richtige Zeitpunkt ist, um in den Wahlkampfmodus umzuschalten. Wann wäre der?
Eine Pandemie eignet sich nicht, um sich parteipolitisch zu profilieren. Das war immer unsere Einstellung, wir versuchen sie auch weiterhin umzusetzen, und ich sehe dabei auch einen Konsens in der Koalition – bei denen, die aktiv an der Regierung beteiligt sind. Nichtsdestotrotz fangen jetzt einige an, sich zu profilieren; wir aber wollen weiterhin Streitpunkte intern und nicht öffentlich klären. Als Koalition gewinnt man gemeinsam – oder verliert gemeinsam. Es wäre schön, wenn sich die Koalition noch mehr einig wäre, die Erfolge gemeinsam nach außen zu tragen.
Klaus Lederer, Kultursenator und Spitzenkandidat der Linken, hat am Samstag vor allem der SPD ein „Blinken hin zur Union“ vorgeworfen.
Wir haben in Umfragen eine stabile Mehrheit. Was hindert einige zu sagen: Wir machen einen gute Job für diese Stadt und den wollen wir weiter machen?
Wie beurteilten Sie das Verhalten der neuen SPD-Spitze?
Bei den Inhalten, die SPD-Spitzenkandidatin Franziska Giffey zuletzt präferiert hat, dürften sich die Wählerinnen und Wähler schon fragen, warum sie nicht gleich die CDU wählen sollen. Früher war die SPD für linke Inhalte vielleicht eine Option – das scheint sie nicht mehr zu sein. Und ich sehe nicht, was die Sozialdemokraten damit bezwecken. Selbst wenn sie wie jetzt in Richtung einer Koalition mit der Union tendiert – warum stellt sie sich dann als zweite CDU auf? Auch die SPD sollte sich daran erinnern, was ihr eigentliche Identität ist.
Sie meinen soziale Themen?
Das zeigt doch die jüngste Entwicklung in der Pandemie: Hartz-IV-Empfängerinnen und -Empfänger bekommen kein zusätzliches Geld für das Schulmittagessen, das bei ihren Kindern wegfällt, weil die Schulen zu sind. Das macht vielen wirklich Probleme. Dass da weder eine Berliner noch eine Bundes-SPD Konzepte entwickelt, lässt schon tief blicken.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Waffen für die Ukraine
Bidens Taktik, Scholz’ Chance
Unterwanderung der Bauernproteste
Alles, was rechts ist