Andreas Speit
Der rechte Rand
: Wo der Staat Rechtsextremen eine Plattform gab

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Unter dem Motto „Online helfen, lokal einkaufen“ will die Schweriner Landesregierung „lokale Gastronomen und Händler“ in der Krise unterstützen. Dafür schuf sie den „Digitalen Marktplatz MV“, auf dem Floristen, italienische Restaurants oder Motorradläden aus Mecklenburg-Vorpommern auf ihre Webseiten verweisen dürfen. Offenbar gut neun Monate lang durfte hier aber auch ein Shop für rechtsextreme Literatur und Merchandise werben.

Für das „Versand- und Handelshaus Nord-Ost Pommerscher Buchdienst“ aus Anklam – das auf seiner Webseite noch auf die gute alte deutsche Rechtschreibung setzt – war es sicher imagefördernd, dass es in einem so seriösen Kontext wie einer staatlichen Plattform auf sich aufmerksam machen konnte. Das beruhigt die bürgerlichere Kundschaft. Nicht jeder Artikel im Shop hat zudem gleich eine eindeutige rechtsextreme Botschaft. Im Programm finden sich Bestsellerautoren wie Thilo Sarrazin oder Gerhard Wisnewski. Die Herren sind zwar rechts oder verschwörungsaffin, aber nicht rechtsextrem.

Außerdem gibt es dort Kaffeebecher mit dem Logo „extrem hart steuerbord“ – eine weichgespülte Umschreibung für rechtsextrem und nicht sofort als solche zu erkennen. Aber der Shop bietet auch Eindeutiges. Etwa: Die „Musik in der Waffen-SS“ auf CD oder einen Ratgeber für Rechtsextreme: „Mäxchen Treuherz“. In der Beschreibung heißt es, dass „in der jetzigen Zeit staatlicherseits geförderter Anti-Rechts-Hysterie“ das „juristische Hörbuch allen gutmeinenden und gutgläubigen nationalen Aktivisten ein hilfreicher Ratgeber“ sein solle.

Wenn man weiß, wer der Anbieter ist, überrascht das Programm nicht: Seit Jahrzehnten ist Enrico Hamisch in der rechtsextremen Szene aktiv. Er kommt aus der militanten Kameradschaftsszene, saß für die NPD im Kreistag Vorpommern Greifswald und gründete den Verein „Initiative für Volksaufklärung“. Im Mai 2007 erwarb er mit dem NPD-Kader Michael Andrejewski in Anklam ein früheres Möbelkaufhaus. Sie kündigten an, eine „Pommersche Volksbücherei“ einzurichten. Der NPD-Landesverband hat gegenwärtig dort seinen offiziellen Sitz und Andrejewski sein „Bürger-Büro“.

Dieser Hintergrund fiel allerdings der Agentur nicht auf, die den digitalen Marktplatz für das Ministerium für Energie, Infrastruktur und Digitales verwaltet. Die Idee der Anmeldung will der „Buchdienst“ selbst zudem gar nicht gehabt haben. „Die Aufforderung kam von dem Portal selbst“, behauptet Andrejewski auf Facebook.

Andreas Speitarbeitet als freier Journalist und Autor über die rechte Szene nicht nur in Norddeutschland.

Eine Ministeriumssprecherin erklärte den Vorgang der taz gegenüber so: Der Anmeldung folge eine Freischaltung, wenn die technische und rechtliche Prüfung des Anbieters dem nicht entgegenstehe. Mittlerweile taucht der Buchdienst nicht mehr auf der landeseigenen Webseite auf: Nach dem Hinweis eines Webnutzers auf die „rechtsextremen Inhalte“ sei er noch am selben Tag gelöscht worden, so die Sprecherin. „Wir sind da sehr denkbar.“ Sie seien auf solche Hinweise angewiesen.