Wie Eindeutigkeit hergestellt wird

FEINDBILDER Die Zuschauer als Komplizen der Soldaten: Ein Symposium in der Kinemathek beschäftigte sich mit der Frage nach den Wirkmechanismen von Propagandabildern im „Dritten Reich“

Mögen die Bilder noch so mehrdeutig sein, stets erklärt einem ein Sprecher, was man zu sehen hat

VON ANDREAS RESCH

Welch ungeheure Suggestivkraft in der Möglichkeit zur Montage von Bildern steckt, hat bereits der russische Filmemacher Lev Kuleshov vor knapp 90 Jahren in einem Experiment nachgewiesen. Darin verband Kuleshov das völlig ausdruckslose Gesicht eines Schauspielers abwechselnd mit einer Tasse Suppe, einem Sarg und dem Anblick eines Mädchens. Im Nachhinein meinten die Zuschauer, Hunger, Trauer oder Zuneigung in der Mimik des Schauspielers entdeckt zu haben.

Von welchen nicht minder ausgefeilten, wenn auch weit gefährlicheren Strategien der Manipulation durch Bilder die Nationalsozialisten Gebrauch machten, um während des Zweiten Weltkriegs die Stimmung an der „Heimatfront“ anzuheizen, darüber wurde auf dem heute zu Ende gehenden Symposium „Die Kamera als Waffe“ diskutiert. In ihrem Vortrag zur Ikonografie von Fremd- und Feindbildern zeigte die Polen-Spezialistin Miriam Arani Fotografien, die von einer sogenannten Propagandakompanie im Warschauer Ghetto aufgenommen wurden.

Die Strategie hinter diesen Bildern, die zumeist als Fotoreportagen in Publikationen wie der Berliner Illustrirten Zeitung erschienen, war es, die Juden selbst für ihr Leid verantwortlich zu machen. Dies geschah vor allem durch gezielte Bildauswahl und Montage – Nahaufnahmen von als „typisch jüdisch“ empfundenen Physiognomien, Gegenüberstellungen vom Elend der einen und angeblicher Mitleidlosigkeit der anderen Ghettobewohner –, wodurch die eigentliche Kausalität von Ursache und Wirkung umgekehrt wurde.

Anders wurde 1939 bei der Berichterstattung über die Zustände im polnischen Bromberg vorgegangen. Auf einem Foto sind mehrere, zum Teil schlimm zugerichtete weibliche Leichen zu sehen, angeblich deutsche Frauen, die von Polen ermordet wurden, wobei bis heute ungeklärt ist, ob es sich bei den Frauen nicht tatsächlich um Polinnen handelte. Um die vermeintliche Seriosität der Berichterstattung zu unterstreichen, wurden ausländische Journalisten zu einer Pressefahrt eingeladen und dann bei der Inspektion der Toten fotografiert. So entsteht eine höchst suggestive Bildfolge: zunächst ein Verbrechen, das dann im Anschluss durch die ausländischen Journalisten pseudo-authentifiziert wird.

Die Propagandafilme, die zu jener Zeit entstanden, waren, wie Klaus Kreimeier in seinem Vortrag anmerkte, hingegen mehr auf eine „symbiotische Einheit von Soldat, Kamera und Zuschauer“ ausgerichtet. Sie dienten dazu, die Zuschauer zu Wahrnehmungskomplizen der Soldaten zu machen: Zum einen war man mittendrin im Geschehen, gleichzeitig jedoch – und das ist es, was der Medienwissenschaftler Karl Prümm als „Modellierung des Unmodellierbaren“ bezeichnet – wurde das Gezeigte durch Schnitte in eine sinnstiftende Geschichte überführt.

In seinem Beitrag benannte Prümm mehrere Merkmale des NS-Propagandafilms, etwa dessen permanente Reproduktion von auf Hitler zugeschnittenen Glaubensinhalten oder die historiografische Distanz. Exemplarisch verdeutlichte dies der aus Wochenschauberichten montierte Kompilationsfilm „Feldzug in Polen“. Mögen die Bilder noch so mehrdeutig sein, stets erklärt einem ein kraftstrotzender Sprecher, was man zu sehen hat. Hitler selbst taucht kaum auf, und wenn, dann als gottgleiche Erscheinung. Dann genügt ein einziger Blick des Führers zum Himmel und sogleich taucht ein Flugzeug am Firmament auf, bereit, den Feind zu vernichten.