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zwischen den rillenAmbivalente Harmonien

Ana Roxanne: „Because of a Flower“ (Kranky/Cargo)

Es zeugt von Mut, sich als junge Künstlerin an einen solchen Song heranzuwagen. An „I’m Every Woman“, der schon, als Disco-Queen Chaka Chan ihn 1978 herausbrachte, beachtlich in den Charts kletterte, und der dann, 1992, interpretiert von Whitney Houston, zum Welt­hit avancierte, ein Song, dem man eigentlich nichts mehr hinzufügen kann. Die New Yorker Künstlerin Ana Roxanne hat das auch gar nicht erst getan, vielmehr nahm sie aus ihrer Version einiges weg. In ihrer Fassung von „I’m Every Sparkly Woman“ funkelt es zwar wortwörtlich, aber eher aus der Ferne, aus neblig-atmosphärischen Sounds hervor.

2015 hat Roxanne den Song aufgenommen, damals noch ohne Plattenfirma. Im vergangenen Jahr, im März 2019, wurde er dann samt dem Rest der EP „~~~“ nochmals veröffentlicht, bei Leaving Records. „~~~“ erzielte einen Achtungserfolg, vor allem wegen des seltsam-schönen Whitney-Houston-Covers.

Nun ist ihr Album beim US-Indielabel Kranky erschienen. 39 Minuten Ambient, kombiniert mit Field Recordings, mit sphärischem Gesang und Spoken Word. „Because of a flower“ lautet der Titel und dass jene Blume, um die es geht, eine besondere ist, darüber klärt Roxanne gleich zu Beginn auf, Laotse zitierend: „One has produced Two, Two has produced Three. These words mean that One has been divided into Yin, the female principle, and Yang, the male principle. These two have joined, and out of their junction has come a third, Harmony.“

In doppelter Zunge

Roxanne spricht den Text selbst in doppelter Zunge, die eine ein wenig tiefer, die andere ein wenig höher, auf zwei Stimmlagen eines binären Prinzips. Denn was Roxanne hier in blumigen Worten beschreibt, ist das, was sie am 23. Oktober 2018 auf ihrem Instagram-Account öffentlich machte: Roxanne ist intersex, behielt dies selbst lange für sich, möchte nun aber eine Stimme dafür sein.

Die Suche nach Identität und einem Weg im Dazwischen zieht sich entsprechend durchs Album. In den spärlich eingesetzten Songtexten geht es immer wieder um divergierende Prinzipien, die es zu verbinden gilt, auf „Suite Pour L’Invisible“ etwa. In „Venus“ ist wieder ­Roxannes Sprechstimme zu hören, die nun über Wandelbarkeit und Fluidität philosophiert.

Womöglich handelt es sich bei dem plätschernden Wasser, das dabei im Hintergrund zu hören ist, um Wellen des Pazifiks. Roxanne, die erst kürzlich nach New York zog, wuchs in Kalifornien auf, als Kind philippinischer Einwander*innen. Sie sang im Kirchenchor und Karaoke mit ihrer Mutter und vier Tanten, die dabei die großen R&B-Diven der 1980er und 90er Jahre, Toni Braxton, Anita Baker oder eben Whitney Houston imitierten. Als musikalische Erweckungserlebnisse nannte Roxanne in einem Interview mit Bandcamp Daily, den Moment, als sie Alicia Keys’ Debütalbum „Songs in A Minor“ zum ersten Mal hörte, aber auch eine Reise nach Indien, bei der sie begann Unterricht in klassischem Hindugesang zu nehmen.

All das fließt gewissermaßen zusammen und macht „Because of a Flower“ zum passenden Album für die vermutlich dieses Jahr noch ein wenig ruhigeren Tage zwischen den Jahren, zum Anhören, während man sich bestenfalls in der Horizontalen befindet und ganz von den wolkigen Klängen umhüllen und ­Roxannes Stimme betören lassen kann.

Und von den Blumen. Die kehren auf „Take the Thorn, Leave the Rose“ zurück. Roxanne im letzten Song des Albums, unter anderem ein verlangsamtes Klavier-Sample aus einer Aufnahme von Alessandro Moreschi, einem der letzten Kastratensänger des Vatikans. Was er da singt, kann man nicht hören, aber erraten: Es ist das „Ave Maria“. Beate Scheder

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