Heute so, morgen so

Stereotype Erwartungshaltungen an Schwarze Personen: Das „Deutsche Museum für Schwarze Unterhaltung und Black Music“ dechiffriert die Inszenierung Schwarzer Popkultur in Deutschland – vorerst digital im HAU 4

Lori Glori zu Besuch im Museum Schwarzer Unterhaltung und Black Music Foto: Dorothea Tuch

Von Beate Scheder

Die ersten Takte genügen, und schon hat man es wieder im Kopf – für die nächsten Tage wahrscheinlich: „Not a broken heart, now we’re gonna start. It’s for me and you, let the dream come true.“ Und noch mal und so weiter, Sie wissen schon. „Let the dream come true“ erschien im September 1994 als Single-Auskopplung des Albums „There’s a party“, erlangte in Deutschland Goldstatus und kletterte auch in anderen europäischen Ländern in den Charts auf hohe Positionen. Wie so viele Eurodance-Songs von DJ Bobo aus den 1990er Jahren.

Weniger bekannt als diese ist der Name der Sängerin, der auf vielen von ihnen zu hören ist. Lori Glori lautet er. Lori Glori ist sozusagen die Stimme der goldenen Jahre des Eurodance, und sie ist eine, deren Karriere in genau dieser Zeit einen wenig glamourösen Knick bekam. Die Kurzfassung ihrer Version: DJ Bobo und sie lernten sich Mitte der 90er Jahre bei einem Konzert kennen, bei dem sie beide als Headliner gebucht waren. Daraufhin nahm er mit ihr einige Songs im Studio auf, speiste sie mit 10.000 Mark ab und heimste den Erfolg fortan allein ein, ließ bei Live-Auftritten gar eine andere Sängerin zu ihrem Gesang die Lippen bewegen.

„Der Beginn eines großen Absturzes in ihrem Leben“ nennt Lori Glori diese Erfahrung in einem Talk, den das „Deutsche Museum für Schwarze Unterhaltung und Black Music“ Mitte Dezember veranstaltete (und die noch bis zum 11. Februar auf dem Digitalkanal des Hebbel am Ufer, HAU 4, auf Youtube und der Website des Museums abrufbar ist). Die 61-Jährige war dort zu Gast, die DJ und Produzentin Sarah Farina zugeschaltet. Ihr gemeinsames Thema: ausbeutende Strukturen in der Musikindustrie in den 1990ern wie heute. Strukturen, die eben weiße waren oder sind, und die für eine Schwarze Sängerin wie Lori Glori bedeuteten, im Hintergrund zu bleiben, nicht namentlich genannt zu werden, in der Öffentlichkeit gar von einer weißen Frau ersetzt zu werden.

Der Talk fand im Onlineprogramm des Museums statt und wer dieses noch nicht kennt, braucht sich nicht zu wundern: Das „Deutsche Museum für Schwarze Unterhaltung und Black Music“ wurde im Dezember in Berlin erst eröffnet, vorerst virtuell. Als temporäre Ausstellung war das Museum im Spätsommer im Museum Angewandte Kunst in Frankfurt am Main zu Gast, nun im geschlossenen HAU. Ein Schild hängt dort an der Häuserwand mit dem vielleicht bekanntesten Halbsatz des vielleicht bekanntesten deutschen Schwarzen Schlagersängers: Roberto Blancos „Heute so, morgen so“.

Und das passt gut, denn wovon die Exponate des Museums vor allem erzählen, ist, wie Schwarze Musi­ker*innen, Schauspie­­ler*innen oder Modera­tor*innen in Deutschland, in der Musik – von Schlager bis Rap – und der Unterhaltungsbranche dargestellt wurden und werden. Es geht um Inszenierungsweisen, um stereotype Erwartungshaltungen an Schwarze Personen des öffentlichen Lebens.

Primär ist das Museum ein Archiv für Schwarze Kultur und Popmusik in Deutschland, das ein vierköpfiges Kurator*innenteam – Joana Tischkau, Anta Helena Recke, Elisabeth Hampe und Frieder Blume – erdacht und erarbeitet hat. Gesammelt und ausgestellt werden dort Tonträger, Fanartikel, Zeitungsberichte, Kostüme und Requisiten, beginnend mit den frühen 1920er Jahren, dem Jahr 1923 genauer gesagt, dem Geburtsjahr des Jazztrompeters und Schlagersängers Billy Mo, der – falls der Name einem nicht mehr geläufig sein sollte – im Jahr 1962 mit „Ich kauf’ mir lieber einen Tirolerhut“ seinen größten Erfolg hatte.

Einen Schnitt machen die Kurator*innen im Jahr 2005. Da habe, so erklärt es Joana Tischkau bei der digitalen Tour, ein Paradigmenwechsel stattgefunden. Vor allem durch die Digitalisierung hätten Künstler*innen ab diesem Zeitpunkt die Möglichkeiten gehabt, ihr Image selbstständiger zu fabrizieren.

Was dazwischen passiert ist, wurde für die Ausstellung in verschiedene Räume verteilt, durch die Tischkau per Video führt. Unglaublich wirken die Beispiele bisweilen in der Rückschau. Tief müssen sie gar nicht stochern, um Rassismen offenzulegen, selbst oder gerade bei den Erfolgsgeschichten von Billy Mo bis Bro’Sis. Stets scheinen diese an Bedingungen geknüpft, die vorgegeben, wie man als nichtweiße Person zu sein oder sich zu geben hat, um es nach oben zu schaffen

Tic Tac Toe waren Rollenmodelle für junge Frauen und junge POC

Ein wenig kommt es einem so vor, als hätten sich die Kurator*innen einen Fokus auf das gelegt, womit sie selbst in den 1990er und frühen 2000er Jahren aufwuchsen, was aber auch daran liegen könnte, welche Archivalien sich einfacher als andere beschaffen lassen. Erzählt wird von Arabella Kiesbauer und Mola Adebisi, die beide als Moderator*innen Karriere machten und beide rassistisch bedroht wurden, von exotisierten Promifrauen wie Barbara Becker oder Nadja Abd el Farrag, und es gibt ein „mehrgenerationales“ Jugendzimmer, gewidmet den vielen Castingbands jener Jahrzehnte.

Einer der erfolgreichsten ist in einem weiteren Video, das am offiziellen Eröffnungsabend des Museums live übertragen wurde, gleich ein ganzer Vortrag gewidmet, Tic Tac Toe nämlich, von denen sich wohl vor allem die legendäre Pressekonferenz vor ihrer Auflösung im popkulturellen Gedächtnis eingebrannt hat. Der Podcaster, Partyveranstalter und ehemaliger Fan Dominik Djialeu stellte die drei indes ziemlich überzeugend als Pionierinnen dar, gecastet zwar, aber dennoch weit ihrer Zeit voraus in der Art und Weise, als nicht nur sexuell selbstbestimmte, trotz allem authentische Rollenmodelle für junge Frauen und junge POC.

Djialeus Vortrag ist ein gutes Beispiel dafür, was das Museum so ansprechend macht – im wahrsten Sinne des Wortes: seine Zugänglichkeit. Der Diskurs ist klug, aber angenehm niedrigschwellig, kurzweilig, aber nicht banal. Zwar sind nicht alle der Beiträge gleich empfehlenswert, etwas zäh sind etwa die anderthalb Stunden, in denen die Rapper Megaloh & Amewu sich gemeinsam mit Kuratorin Tischkau quer durchs Archiv hören.

Insgesamt machen sie aber neugierig auf das, was da noch kommen mag, wenn Ausstellungsbesuche und Veranstaltungen mit Publikum wieder möglich sind und das Museum sich vielleicht dauerhaft in Berlin niederlässt.

Deutsches Museum für Schwarze Unterhaltung und Black Music, bis 12. Februar im HAU 4, https://www.hebbel-am-ufer.de/programm/hau4/