Palästinensische Konflikte vor dem Abzug

Sicherheitskräfte versuchen, Hamas am Abschuss von Raketen auf Israel zu hindern. Das führt zu Schießereien

GAZA/BERLIN dpa/rtr/taz ■ Einen Monat vor Beginn des geplanten israelischen Abzugs aus dem Gaza-Streifen ist es dort gestern erneut zu bewaffneten innerpalästinensischen Auseinandersetzungen gekommen. In den frühen Morgenstunden rückten Sicherheitskräfte in das Flüchtlingslager Dschabalia nördlich der Stadt Gaza ein, um Mitglieder der radikalen Hamas daran zu hindern, die israelische Stadt Sderot mit Raketen zu beschießen. Dabei kam es zu Schusswechseln. Augenzeugen berichteten, Hamas-Mitglieder hätten mehrere Polizisten in einem Fahrzeug mit Waffen bedroht, sie zum Aussteigen gezwungen und das Auto dann in Brand gesteckt. Sieben Menschen wurden verletzt. Dutzende Polizeibeamte, darunter maskierte Mitglieder eines Spezialkommandos, bewachten die Gegend weiter.

In den vergangenen Tagen ist es mehrfach zu Auseinandersetzungen zwischen palästinensischen Sicherheitskräften und Hamas gekommen. Die palästinensische und die israelische Regierung stehen unter zunehmendem Druck, die Krise zu entschärfen, um den geplanten Abzug nicht zu gefährden. Palästinenserpräsident Abbas hatte die radikalen Gruppen am Sonntag bei einem Besuch in Gaza aufgefordert, die „Hudna“, den inoffiziellen Waffenstillstand mit Israel, einzuhalten. Er versprach, alles zu tun, um die Angriffe auf Israel zu verhindern. Die aktuellen Auseinandersetzungen nähren Befürchtungen, es könnte nach einem israelischen Abzug zu innerpalästinensischen Machtkämpfen kommen.

Die israelische Regierung hatte vergangene Woche beschlossen, die israelische Militärverwaltung im Gaza-Streifen im Zuge des Abzugs aufzulösen. Sie geht davon aus, dass ihre Verantwortung mit dem Vollzug des Abzugs beendet ist. Die Palästinenser und die UNO weisen jedoch darauf hin, dass Israel seine Kontrollpunkte an den Grenzübergängen behält und auch künftig den Luftraum und die Küste überwachen wird. Außerdem ist unklar, wer die Hoheit über den palästinensischen Flughafen sowie die Seehäfen haben wird. Eine weitere Frage ist, wer für den Schutz der Grenzen zuständig sein wird.

Auch ökonomische Fragen gibt noch zu regeln: Beispielsweise, wie palästinensische Arbeiter und Waren künftig nach Israel, ins Westjordanland und andere Staaten gelangen. Neben den Sorgen über ein mögliches palästinensisches Machtvakuum bieten auch diese offenen Fragen noch reichlich palästinensisch-israelischen Konfliktstoff. B.S.