Wo der Drive drin ist

Auf der Veddel senken die Wohnungsbaugesellschaften die Gewerbemieten und fördern Existenzgründer, der Senat subventioniert den Zuzug von Studierenden. Das alles soll helfen, den vernachlässigten Stadtteil weiter aufzuwerten

„Umkrempeln, so dass die Leute, die hier wohnen, weggehen, das wollen wir nicht“

Von Angela Dietz

Millionenschwere, neue Uferpromenade, die gleichzeitig dem Hochwasserschutz dient, billige Wohnungen für Studenten und der Baubeginn für das künftige Auswanderermuseum Ballinstadt: Kein Zweifel, auf der Veddel tut sich was. Damit auch die lokale Wirtschaft wieder auf Trab kommt, werden nun Ladenflächen von der GWG/Saga für drei Euro netto/kalt vermietet. Ein Reisebüro, ein Friseur, eine Druckerei und eine Tapas-Bar mit Galerie haben bereits eröffnet.

Seit einem Jahr arbeiten Existenzgründungsberater, Quartiersentwickler und die Wohnungsbaugesellschaften zusammen, um dem Läden-Leerstand entgegenzuwirken. „Niedrige Mieteinnahmen sind besser als keine“, nennt Dieter Uetzmann von Saga-Tochter Pro Quartier das neue Motto. Eine verbesserte Nahversorgung für die 4.700 Einwohner des Stadtteils und ein mit Kultur aufgewertetes Umfeld sollen noch mehr Leute auf die Veddel ziehen.

Seit der Senat vor einem Jahr begann, die Mieten für Studentenwohnungen zu subventionieren, sind schon weit über 200 Studierende auf die Elbinsel gezogen. Dafür gab die Wohnungsbaukreditanstalt eine Million Euro. Zwei Jahre lang wird das Programm laufen. Doch nicht jeder, den die geringe Ladenmiete reizt, wird ins Programm aufgenommen. „Wir suchen gezielt“, erklärt Mehtin Harmanci.

Den Berater von „Unternehmer ohne Grenzen“ holte Quartiersentwickler Rolf Königshausen. „Die Leute kamen zu mir in den Stadtteilladen und beklagten sich, dass ein Bäcker fehlt“, erzählt er. Jetzt eröffnet demnächst ein Backshop. Da man über Existenzgründer inzwischen weiß, dass viele ganz schnell wieder aufgeben müssen, kümmert sich Harmanci auch nach dem Start um Läden und Leute. Bis zu einem halben Jahr begleitet er die Veddeler Gründer weiter, berät sie in Sachen Marketing.

Naiv scheinen die bisherigen Programm-Teilnehmer jedenfalls nicht zu sein. „Befürchtungen, dass es danebengehen kann, hat man immer“, weiß Elvira Agic. Die künftige Backshop-Chefin ist bisher die einzige Frau im Programm. Friseur Sefki Jasari, der schon 36 Jahre lang in Mazedonien Haare schnitt, und Reisebüroinhaber Ünal Özsen wissen, dass sie Geduld brauchen. Özsen hatte schon mehr als zwei Jahrzehnte einen Getränkemarkt. Als der nicht mehr lief, sattelte er um auf den Reiseverkauf.

Maik Koch, der in seinem Laden Kunstdrucke herstellt, ist zuversichtlich. Aus anderen Stadtteilen sei „der Drive raus“, meint er. Arno Walter von der Tapas-Bar Tapitas sieht das ähnlich. Sein Publikum ist bunt gemischt, Veddeler Urgesteine, Leute aus Ottensen, von der Schanze und immer mehr Harburger und Wilhelmsburger. Uetzmann will aber weder ein zweites Ottensen noch eine zweite Schanze. Der Mietverzicht der GWG sei auch fürs Kerngeschäft, die Wohnungsvermietung, besser. Dennoch erklärt er: „Die Veddel komplett umkrempeln, so dass die Leute, die hier wohnen, weggehen, das wollen wir nicht.“

Was in zwei Jahren, wenn das Programm ausläuft weiter passiert, ist noch unklar. Dann dürfte allerdings die Ballinstadt, das neue Museum über die Amerika-Auswanderung fertig sein. Vielleicht kommen dann ja die Touristen aus den USA.