Kultur lebt von Veränderung

Martin Heller soll im Auftrag des Kultursenators sein Konzept „Stadtwerkstatt“ konkretisieren

Ende Mai war der Vertrag des Intendanten der Kulturhauptstadtbewerbung, Martin Heller, ausgelaufen – in der Bremer Kulturszene wurde der Ruf laut, dass Heller als Berater weiter engagiert werden sollte. „Stadtbiennale“ war seine idee, „zu teuer“, sagte Kultursenator Peter Gloystein (CDU). Nun soll Heller im Auftrag von Gloysteins Nachfolger Jörg Kastendiek (CDU)die neue Idee „Kulturwerkstatt“ konkretisieren. Wir fragten nach.

taz: Als Beobachter der Kulturpolitik der letzten Monate in Bremen hatte ich den Eindruck, dass man Sie am ausgestreckten Arm verhungern lässt. Sie leben noch ...

Martin Heller: Ja, ich lebe noch. Ihr Eindruck hat sich nicht ganz bestätigt.

Was haben sie mit dem neuen Kultursenator verabredet?

Es gibt ein Commitment von Jörg Kastendiek, dass er das Konzept Stadtwerkstatt interessant findet.

Wie soll ich Commitment ins Norddeutsche übersetzen?

Ein Bekenntnis. Kastendiek sagt, dass er interessant findet, was während der Bewerbungsphase geschehen ist. „Stadtwerkstatt“ scheint ihm ein taugliches Mittel zu sein für verschiedene Spielfelder in der Kulturpolitik. Daraus resultiert der Auftrag, bis Ende September das Konzept zu konkretisieren. Das Ergebnis wird dann noch einmal im Senat, auch im Rahmen der Haushaltsdiskussion, thematisiert.

Der Kultursenator hat eine Reihe von Problemen ...

Aber wir sind keine Clearingstelle für sämtliche Probleme, die sich stellen. Wir verstehen uns als eine Art Forschungs- und Entwicklungs-Tool dieser Kulturpolitik. Die Wahrnehmung dieser Aufgabe könnte und müsste auch mal ein Teil der Kulturbehörde werden. Wenn ich deren Leiter wäre, würde ich versuchen, eine solche Einheit innerhalb der Verwaltung zu gruppieren, vielleicht auch mit externen Beratern. Aber ich bin nicht Leiter der Kulturbehörde. Wir wollen Impulse geben, Würfe ins Offene. Und das rechtfertigt auch die Verwendung investiver Mittel.

Das Musikfest hat in Ihren Überlegungen nur eine geringe Rolle gespielt. Warum?

Das Musikfest ist eine Art Selbstläufer. Auch die Finanzierung durch Sponsoren macht das Fest relativ autonom. Gleichzeitig hat es nicht wirklich eine überregional bedeutsame Ausstrahlung.

Auch bei dem Konzept Stadtbiennale wurde das Musikfest nicht als Ausgangspunkt genommen, auf dem aufzubauen wäre – es kam nicht vor.

Das Konzept konnte ja durch den Hörfehler von Herrn Senator Gloystein in der Senatssitzung nicht fertig entwickelt werden. Der Ansatz der Stadtbiennale war: Es gibt einen kulturellen Reichtum in der Stadt, der aber nicht so entwickelt ist, Bremen zu einer überregional beachteten kulturellen Destination werden zu lassen. Die Stadtbiennale hätte die Möglichkeit gegeben, alle zwei Jahre in der Konzentration zu sagen: Jetzt. Wir wollten versuchen, die Dinge so aufeinander zu beziehen, dass wir überregionale Aufmerksamkeit erzwingen. Das Musikfest spielt in einer ganz anderen Liga, in der die Konkurrenz Luzern und Salzburg heißt. Eine Variante „Musikfest plus“ hätte nur mit einem respektablen Sprung des Musikfestes selbst funktionieren können.

Kulturpolitik ist in Bremen ein Nullsummenspiel: Gelder für Projekte werden nur frei, wenn etwas gestrichen wird. Wie könnte der Projekte-Topf gefüllt werden?

Da Antworten zu geben, ist auch nicht meine Aufgabe. Obwohl ich weiß, was Sparpolitik bedeutet. Wenn die Bedingungen so sind, dass das Geld nicht mehr ausreicht, plädiere ich immer dafür, dass man etwas streichen muss. Man soll das tun mit größtem Respekt vor sinnvollen Kriterien. Es gehört zum Wesen von kulturellen Landschaften, dass sie sich verändern. Dafür müssen Dinge wegfallen. Ich halte es für falsch, die grundständige Kultur und die Projekte gegeneinander auszuspielen. Ich habe ein anderes Kulturmodell im Kopf. Ich glaube, dass man durch Projektförderung gegenüber Institutionen – die ja bei unserer Geldvergabe sehr stark profitiert haben – und auch gegenüber der freien Szene ein Experimentierfeld schaffen kann. Es braucht mehr Gestaltungsmöglichkeit innerhalb dieser Kulturpolitik, weil dieses Klima Bewegung schafft. Projekte sind da ein Steuerungsmittel. Außerdem benötigt Kultur Mittel, die aus dem investiven Haushalt kommen, weil Kultur ein Lebensmittel für die ganze Stadt ist.

Kürzlich wurden die Projektfördermittel von der Kulturdeputation vergeben. Manche fürchten, dass damit der alte Parteienfilz wieder neues Gewicht bekommt.

Darum finde ich das Instrument der Stadtwerkstatt interessant. Wir haben demonstriert, wie man die Geldvergabe gestalten könnte. Unsere Kriterien, was wir gut finden und was nicht, waren sehr scharf. Das wollen wir auf ähnliche Weise fortsetzen.

Sie sind jetzt Intendant für die Kulturhauptstadt Linz 2009 geworden. Kann man die Problematik in Linz mit der Bremens vergleichen?

Linz ist halb so groß, hat wenig Haushaltssorgen, Linz ist eine junge Stadt – die Nazis haben Linz als Industriestadt hochgepusht. Linz hatte lange Zeit ein schlechtes Image. Und Wien ist nicht weit und beherrscht alles – die Wiener fahren nicht nach Linz. Es wird eine Aufgabe sein, für das Kulturhauptstadt-Jahr diese Situation zu verändern, möglichst nachhaltig. Das wünsche ich mir auch für Bremen. Aber will die Stadt wirklich die überregionale Aufmerksamkeit? Oder fließt die Donau doch viel schneller und mächtiger als die Weser? Fragen: kawe