Böger im Geschwindigkeitsrausch

Kurz vor Beginn des Schuljahres 2005/2006 stellt die Schulverwaltung noch 250 LehrerInnen ein. Die hektische „Nachsteuerung“ im Schnellverfahren wird von der Bildungsgewerkschaft GEW und aus der Opposition scharf kritisiert

Wenige Wochen vor Beginn des neuen Schuljahres hat der Senat bei der Einstellung von Lehrern noch einmal nachgelegt. 170 Vollzeitstellen will die Schulverwaltung mit 250 LehrerInnen im Rahmen eine „Nachsteuerung“ neu besetzen. Damit erhöht sich die Zahl der neu eingestellten Pädagogen auf 640. Für Unmut sorgen die Last-Minute-Einstellungen bei vielen extrem kurzfristig informierten BewerberInnen. Ihr Auswahlgespräch bezeichnetet eine Teilnehmerin etwa als „sehr oberflächlich“.

Scharfe Kritik am Vorgehen der Schulverwaltung übte auch die Bildungsgewerkschaft GEW. Landesvorsitzende Rose-Marie Seggelke sagte, Senator Klaus Böger (SPD) habe die Warnungen der Gewerkschaft vor einer unzureichenden personellen Ausstattung zum neuen Schuljahr „beharrlich ignoriert“ und durch Umsetzungen versucht, das Problem auszusitzen. Jetzt versuche er, mit „fieberhaftem Aktionismus“ eine personelle Mindestausstattung zu gewährleisten.

GEW und Landeselternausschuss hatten wiederholt vom Senat gefordert, mindestens 650 Lehrkräfte neu einzustellen. Personeller Mehrbedarf ergibt sich ab dem 1. August vor allem aus der vorgezogenen Schulanfangsphase, durch die mehr als 13.000 SchülerInnen zusätzlich in die Grundschulen drängen.

Laut Seggelke stehen durch die Abwartetaktik des Senats viele BewerberInnen gar nicht mehr zur Verfügung. Sie hätten bereits Verträge in anderen Bundesländern unterschrieben. Das Auswahlverfahren erinnert die GEW-Chefin „mehr an einen Basar als an ein rechtsstaatliches Verfahren“. Eignungskriterien seien zu wenig berücksichtigt worden. Und: In der Urlaubszeit hätten viele BewerberInnen nicht so kurzfristig eingeladen werden können.

Dieser Kritik schlossen sich die Grünen an. Für ihren schulpolitischen Sprecher Özcan Mutlu sind die im Schnelldurchlauf geführten Bewerbungsgespräche vor Kommissionen der bezirklichen Schulaufsicht eine „pure Zumutung“. Vor den Kopf stoße man damit auch die Schulleitungen. Sie seien nicht ausreichend beteiligt worden.

Die Bildungsexpertin der FDP-Fraktion, Mieke Senftleben, bezeichnete die Auswahlverfahren als „Lachnummer“. Kein Unternehmen käme auf die Idee, so seine Stellen zu besetzen. Die „alte liberale Forderung“, dass Personalentscheidungen in den Schulen selbst und nicht von Ämtern getroffen werden müssten, habe sich der Senat inzwischen zwar auch auf die Fahne geschrieben, die Praxis beweise aber das Gegenteil.

Klaus Böger wies die Kritik an der späten Entscheidung und der schlechten Organisation zurück. „Wir arbeiten effizient, auch in den Ferien“, so der Schulsenator. Seine Empfehlung an die BewerberInnen, die zum Teil schon seit Jahren auf eine Einstellung warten: „Man muss erreichbar sein in dieser wichtigen Phase seines Lebens.“ CLAUDIUS PRÖSSER