Noch schnell die Westsahara verteilt

Ein typischer Trump-Deal: Die USA erkennen die marokkanische Herrschaft über die Westsahara an. Im Gegenzug will Marokko diplomatische Beziehungen zu Israel aufnehmen

König Mohammed VI. im Gespräch mit US-Nahost-Unterhändler Jared Kushner, hier im Mai vergangenen Jahres Foto: ap

Von Reiner Wandler, Madrid

Erst herrschte Funkstille in Madrid, dann gab es ein kurzes Statement. Das Innenministerium gelobte „Respekt vor den Grundsätzen und Beschlüssen der UNO“. Das ist bisher alles, was der spanischen Linksregierung unter Pedro Sánchez zu entlocken war, seit Noch-US-Präsident Donald Trump Ende vergangener Woche die Souveränität Marokkos über die ehemalige spanische Kolonie Westsahara anerkannte. Marokko hat sich das Gebiet, etwa so groß wie die alte Bundesrepublik, 1976 völkerrechtswidrig angeeignet und hält es seither besetzt.

Madrid sagte nach Trumps Erklärung ein einberufenes bilaterales Treffen auf Regierungsebene ab. Es könne nicht mit „den sanitären Garantien stattfinden, die für notwendig erachtet werden“, heißt es, während die spanische Presse davon spricht, dass Trumps Aktion die Regierung Sánchez kalt erwischt habe. Zwar steht Spanien von jeher der Besatzungsmacht der Westsahara näher als der sah­rauischen Unabhängigkeitsbewegung Polisario, aber ein bilaterales Treffen gerade jetzt, wäre wohl doch zu viel, zumal es um die Frage der Westsahara innerhalb der spanischen Regierungskoalition immer wieder Differenzen zwischen den Sozialisten von Sánchez und den eher prosahrauischen linksalternativen Unidas Podemos von Pablo Iglesias gibt.

Nur die Souveränität Marokkos würde „dauerhaften Frieden und Wohlstand“ für die Westsahara bringen, hatte Trump auf Twitter verkündet. Der US-Präsident hat damit erneut wichtigen Grundsätzen der Vereinten Nationen eine Absage erteilt. Um ein nicht ordnungsgemäß entkolonialisiertes Gebiet an ein anderes Land anzuschließen, müsste erst einmal ein Referendum über Annexion oder Unabhängigkeit stattfinden. Ein solches wurde in der Westsahara jedoch nie abgehalten.

Außerdem verspricht Trump Waffenlieferungen an Marokko, obwohl das Reich von König Mohammed VI. seit Mitte November wieder im Krieg mit der Polisario eben um die Westsahara steht. „Das ist nicht seine Sache“ und es „werde an der sah­rauischen Frage nichts ändern“, erklärte die Polisario und deren Exilregierung in den sahrau­ischen Flüchtlingslagern im algerischen Tindouf. Tumps Aktion sei nicht nur ein Verstoß gegen das Völkerrecht, sondern auch gegen die Grundsätze der Afrikanischen Union, für die die Westsahara ebenfalls ein nicht entkolonialisiertes Gebiet ist.

„Das zeigt, dass Marokkos Regime bereit ist, seine Seele zu verkaufen, um die illegale Besatzung der Westsahara aufrechtzuerhalten“, schreibt der Vertreter der Polisario bei den Vereinten Nationen, Sidi Omar, auf Twitter. Er bezieht sich damit auf den zweiten Teil von Trumps Überraschungscoups. Denn die US-Unterstützung für Marokko ist nicht kostenlos. Im Gegenzug zur Anerkennung der marokkanischen Herrschaft über die Westsahara hat Rabat versprochen, voll umfängliche diplomatische Beziehungen zu Israel aufzunehmen.

In den vergangenen Monaten hatten mit den Vereinigten Arabischen Emiraten, Bahrain und dem Sudan bereits drei andere arabische Staaten angekündigt, diplomatische Beziehungen mit Israel aufzunehmen. Zustande gekommen waren die sogenannten Abraham-Verträge nach intensiver US-Vermittlung. Im Falle Sudans hatte Washington auch ökonomischen Druck auf die Führung in Khartum ausgeübt. Für die scheidende Trump-Administration ist die Annäherung arabischer Staaten an Israel das Finale einer dezidiert proisraelischen und gegen die Interessen der Palästinenser gerichteten Nahostpolitik. Zuvor hatte Washington in einem international umstrittenen Schritt die US-Botschaft in Israel von Tel Aviv nach Jerusalem verlegt, das die Palästinenser in Teilen als Hauptstadt eines eigenen Staates beanspruchen. Kritiker sehen darin eine Legitimierung der israelischen Besatzung von Palästinensergebieten.

Die Annäherung an Israel könnte jetzt Mohammed VI. innenpolitisch unter Druck bringen. Zwar ist die überwältigende Mehrheit der Marokkaner davon überzeugt, dass die Westsahara ein integraler Bestandteil ihres Landes ist, aber Israel so umfänglich anzuerkennen, das unterstützten nur wenige. Schließlich wurde – zumindest im offiziellen Diskurs – die arabische Solidarität mit den Palästinensern stets groß geschrieben, auch wenn Marokko hinter den Kulissen von jeher eines der arabischen Länder ist, das die engsten Beziehungen mit Israel pflegt. Mit Marokko steigt die Zahl der arabischen Staaten, die Beziehungen zu Israel haben, auf sechs. Ägypten und Jordanien haben vor Jahrzehnten Frieden geschlossen mit Israel.