Schmutzkampagne in Österreich

Grüne machen internes Papier der ÖVP Steiermark öffentlich. Darin werden die Mitarbeiter aufgefordert, im Wahlkampf den politischen Gegner zu verunglimpfen

„Es ist unterste Schublade, der tiefste Schlamm, der hier ausgegraben wurde“

WIEN taz ■ Manchmal wundert man sich über besonders dumme oder unkritisch lobhudelnde Leserbriefe in Tageszeitungen oder Kommentare in Onlinemedien. Zumindest für die Steiermark ist das Geheimnis gelüftet: Viele dieser Stellungnahmen dürften direkt aus den Parteizentralen kommen. Das enthüllt ein internes Dokument, das unter dem Spottnamen „ÖVP-Wahlkampf-Knigge“ das politische Sommerloch füllt.

Es geht um die Zusammenfassung eines Medienworkshops der ÖVP Steiermark, in dem die Aktivisten und Mitarbeiter aufgefordert werden, während des bevorstehenden Wahlkampfs rufmörderische Leserbriefe und E-Mail-Postings gegen die politischen Gegner zu verfassen. „Postings können auch unsachlich und untergriffig sein“, heißt es da. Leserbriefe sollen eher sachlich gehalten sein. „Natürlich sollen FLH und die STVP lobend erwähnt werden. Das sollte allerdings nicht in jedem Leserbrief der Fall sein und möglichst unauffällig geschehen. Oft reicht es schon, das Thema, das ohnehin mit FLH in Verbindung gebracht wird, positiv zu verstärken und Voves wieder einmal als Faulpelz und Verhinderer darzustellen.“

FLH steht für Frau Landeshauptmann Waltraud Klasnic. Hinter dem Kürzel STVP verbirgt sich die ÖVP Steiermark. Franz Voves ist Spitzenkandidat der SPÖ und hat gute Chancen, bei den Landtagswahlen am 2. Oktober die FLH zu überholen.

Erinnerungen an die infamen „Speedboat Veterans“, die Senator John Kerry beschuldigten, seine Heldentaten im Vietnamkrieg erfunden zu haben, werden wach. Tatsächlich war im Herbst eine Delegation von ÖVP-Strategen in den USA und dürfte sich dort von den schmutzigen Tricks vor allem der Republikaner einiges abgeschaut haben.

Dirty Campaigning auf Steirisch liest sich im „Knigge“ so: „Leserbriefe sind auch ein probates Mittel, um Informationen bzw. Gerüchte zu streuen, die im Rahmen der offiziellen Medienarbeit nicht eingesetzt werden dürfen (Negativkampagning).“

Das delikate Papier, das davor warnt, in den Zuschriften verräterische Parteiphrasen zu verwenden, wurde letzte Woche von den Grünen in der Steiermark publik gemacht. Ein Student, dessen Freundin bei der ÖVP einen Sommerjob gesucht hatte, war in die Medienschulung hineingestolpert. Was er dort hörte, fand er so empörend, dass er das Dokument den Ökos zuspielte.

Die ertappten ÖVP-Strategen bemühten sich eilig, die Verantwortung für den inszenierten Rufmord von sich zu schieben und den Stellenwert der Instruktionen herunterzuspielen. Ein übereifriger junger Mitarbeiter“ habe auf eigene Faust eine unautorisierte Zusammenfassung verteilt. Doch Waltraud Klasnic hielt es für angebracht, zwecks Schadensbegrenzung in einem offenen Brief die politische Verantwortung zu übernehmen. „Was in den letzten 24 Stunden von meiner Gemeinschaft ausgesandt bzw. geschrieben wurde, tut mir leid, und ich bitte um Entschuldigung.“ Ihr Image als mitfühlende Landesmutti ist trotzdem schwer beschädigt.

Denn die Rufmordkampagne gegen den wichtigsten politischen Rivalen hat schon begonnen. Eine Website mit der Adresse www.franzvoves.at, die den SPÖ-Spitzenkandidaten heruntermacht, wurde von einer ÖVP-Mitarbeiterin ins Netz gestellt. Walter Kröpfl, Fraktionschef der SPÖ im steirischen Landtag, zeigte sich empört. „Es ist unterste Schublade, der tiefste Schlamm, der hier ausgegraben wurde und mit dem man jetzt herumschleudert“.

Inzwischen ist die ÖVP zum Gegenangriff übergegangen. Skandalös sei nicht der Inhalt der Wahlkampfanweisungen, sondern die Tatsache, dass ein internes Papier an die Öffentlichkeit gelangt sei. ÖVP-Landesgeschäftsführer Andreas Schnider, der für den „Knigge“ verantwortlich ist, warf den grünen Aufdeckern „Stasi-Methoden“ vor und sprach von einem „Grünen Watergate“. Die Bundes-Grünen finden das dreist und lassen prüfen, ob sie gegen Schnider deswegen klagen. Denn, so ihre Rechtsberaterin, diese Angriffe seien „kreditschädigend und ehrenrührig“. RALF LEONHARD