heute in bremen
: „Keine reine Fantasie mit bösen Ratten“

Foto: Laura Müller-Hennig

Janine Lancker, 41, ist Autorin und leitet Schreibwerkstätten beim Literaturkontor.

Interview Alina Götz

taz: Frau Lancker, es geht in Ihrer Geschichte um hinterlistige Laborratten. Wie sind Sie darauf gekommen?

Janine Lancker: Es gibt Forschung dazu, wie man das Herz des Menschen in Ratten züchten kann. Ich habe davon in einem Zeitungsartikel gelesen. Für viele Organe wird ausprobiert, diese in Tieren zu züchten, um sie dann Menschen einzupflanzen. Einige Bioethiker befürchten, dass dabei Zellen, die für das menschliche Bewusstsein zuständig sind, in das Gehirn der Ratten rutschen. Also, dass eine Ratte auf einmal Dinge empfinden kann, die sonst nur Menschen empfinden. Die Geschichte ist also gar keine reine Fantasie mit bösen Ratten, wie es im ersten Moment scheint, sondern spitzt eine Realität zu.

Und was genau hecken die Ratten aus?

Die Ratte Rachel sitzt in einem Laborkäfig und hat ein viel zu großes Herz im Leib, eben ein Menschenherz. Das hat sie selbst bemerkt, sie hat menschliche Intelligenz und Emotionen. Sie kann die aber nicht äußern, weil sie nicht über einen menschlichen Stimmapparat verfügt. Mit einer List will sie mit einer Labormitarbeiterin in Kontakt treten, um sich ihr zu erklären und sie zu bitten, ihr das Herz herauszunehmen und ein Rattenherz einzupflanzen, damit sie nicht stirbt. Sie möchte ihr eine E-Mail schreiben und versucht dazu, an einen Computer zu kommen.

Sie verraten sicher nicht, ob sie es schafft!

Das bleibt sogar im Text offen. Es gelingt Rachel zwar, die Mail zu schreiben, aber ob ihr die Mitarbeiterin den Wunsch erfüllt, bleibt unklar.

Wie ist Ihre Meinung zu dieser Forschung?

Virtuelle Lesung zum Thema Bioökonomie: „Von sprechenden Blumen und eiskalten Racheengeln“, einzelne Podcasts ab heute verfügbar unter www.hs-bremen.de/bionacht

Ich habe zu dem Thema recherchiert und gesehen, dass es auch andere Möglichkeiten gibt, Organe zu züchten. Im 3D-Drucker kann man Zellgewebe nachbauen. Es ist immer besser, was zu machen, wo keine Tiere drunter leiden. Ich sehe es auch kritisch, dass es so viele Pharmakonzerne gibt, die sich mit so einer Forschung profilieren müssen und in ständiger Konkurrenz um Gelder und Anerkennung sind. Vernünftiger würde ich den Weg finden, der am wenigsten Leid verursacht. Vor 15 Jahren habe ich zum Beispiel die Affenversuche an der Bremer Uni noch nicht so kritisch gesehen wie heute. Ich dachte, die seien notwendig. Aber wenn immer noch nichts bei herausgekommen ist – zumindest habe ich von keinem großen Forschungsergebnis gehört – kann man es auch lassen.

Ist die Geschichte für Sie ein eher positives oder negatives Zukunftsszenario?

Ich sehe das schon eher negativ, dass immer noch so viele Tiere für Forschungen eingespannt werden. Aber es fällt mir schwer, kritische Geschichten zu schreiben, die kein Happy End haben. Ich schreibe sonst eher hoffnungsvolle Texte – in dem Fall habe ich mich selbst dazu gezwungen, offen zu halten, ob die Ratte Rachel am Ende das Herz kriegt.