: Jukebox
Leben und Sterben im Mittelalter
Ihren Namen borgten sie bei einem englischen Agrarwissenschaftler aus dem 18. Jahrhundert. Für das Cover ihres 1968 erschienenen Debüts „This Was“ verkleideten sich die blutjungen Bluesrocker als genau die skurrilen Tattergreise, die sie heute sind: Jethro Tull, genau.
Ihren Ruf als Hippies mit Hang zur Vergangenheit verdankt die Band ausgerechnet dem Doppelalbum „Living In The Past“ (1972), einer deutlichen Absage an alle Ideale der 68er: „Once I used to join in, every boy and girl was my friend. Now there’s revolution, but they don’t know what they’re fighting. Let us close our eyes; outside their lives go on much faster. Oh, we won’t give in, we’ll keep living in the past“, sang Querflötenmann Ian Anderson zum frohlockenden Folkrock des Titelstücks.
Überdruss an einer hektischen Moderne und Verklärung eines idyllischen Landlebens waren schwer in Mode – und trugen damals schon den Keim zur romantischen Verherrlichung eines idealisierten Mittelalters in sich, die heute unter Rollenspielern und auf Mittelaltermärkten in voller Blüte steht. Ein Affentheater, mit dem Jethro Tull nie etwas zu tun hatten. Anders als der erzkonservative Anderson, der später Lachse züchten und Hymnen auf Maggie Thatcher singen sollte, leben schlichtere Gemüter noch immer gerne in der Vergangenheit: Ritchie Blackmore beispielsweise, Ex-Gitarrist von Deep Purple, macht mit Blackmore’s Night pseudomittelalterlichen Mummenschanz, am 27. Juli auch in der Zitadelle Spandau. Und Tull? Touren auch noch. Was sehr traurig ist für Leute, die sie in guter Erinnerung behalten wollen, und sei es auch nur für Textzeilen wie diese: „Wond’ring aloud: Will the years treat us well? As she floats in the kitchen, I’m tasting the smell of toast as the butter runs. Then she comes, spilling crumbs on the bed and I shake my head. And it’s only the giving that makes you what you are.“ARNO FRANK
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