Der Schulhof wird vermöbelt

Die seit Schuljahresende geschlossene Kurt-Held-Schule in Kreuzberg wird radikal leer geräumt. Vor dem Gebäude türmen sich die Stühle und Tische – viele sehen noch brauchbar aus. In das Gebäude soll eine Modeschule ziehen

Fatmas Klassenarbeit liegt auf dem Boden. Es regnet, sie wird ganz nass. Fatma muss eine gute Schülerin gewesen sein: Alle Matheaufgaben hat sie richtig gelöst, damals im Jahr 2000. Zum Ende des vergangenen Schuljahres wurde Fatmas einstige Schule, die Kurt-Held-Grundschule mit 195 Schülern an der Görlitzer Straße in Kreuzberg, dicht gemacht. Jetzt wird sie ausgeräumt. Neben Fatmas Mathearbeit türmen sich auf den Schulhof Müllberge, fünf, sechs Stück. Mittendrin stehen ein gutes Dutzend Stühle aus den Klassenzimmern, dazu Tische, Schrankteile. Sie sehen noch gut aus – weggeschmissen werden sie trotzdem. Jetzt weicht der Regen sie auf.

Vier 1-Euro-Jobber und zwei Schulhausmeister räumen hier aus. Mit der Presse sprechen will keiner von ihnen. Lieber schließen sie sich im Schulhaus ein, um keine Fragen beantworten zu müssen. Zum Beispiel die einer Bürgerin, die vor der Schule steht und sich ärgert. „Mich interessiert, was mit der Schule passiert“, sagt sie. Die Frau aus Friedrichshain wischt sich die nassen Haare aus dem Gesicht. Es regnet in Strömen.

Vielleicht haben die Arbeiter im Schulhaus Angst, es könnte jemand fragen, warum hier anscheinend noch brauchbares Mobilar weggeworfen wird. „Ich finde das blöd, was die hier machen“, sagt die Friedrichshainerin. „Das Zeug hätten viele andere Schulen vielleicht brauchen können.“ Die Hausmeister und ihrer Helfer räumen weiter aus – und versperren den Schulhof mit einem schweren Metalltor.

Marion Belicke, die für Schulen zuständige Mitarbeiterin beim Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg, vertraut ihnen. „Mir haben die Hausmeister gerade noch einmal versichert, dass nichts weggeschmissen wird, was man ohne Reparaturen noch verwenden könnte“, sagt sie der taz. Man habe anderen Schulen angeboten, die Möbel abzuholen. „Schule und Vereine haben viel davon bekommen“, sagt sie. Das, was jetzt weggeschmissen wird, hätte keiner haben wollen. „Ich hoffe nur, dass nicht aus Versehen etwas weggeworfen wurde, was für die Modeschule aufgehoben werden sollte.“

Denn die Kreuzberger Modeschule Esmod will das Haus kaufen und dort einziehen. 100 Stühle, dazu Tische und Schränke hätte die Schule behalten wollen, berichtet Belicke. Mit Pech liegt davon jetzt auch etwas auf dem Schulhof. Bei strömendem Regen. „Die Modeschule wäre eine Bereicherung für den Kiez“, freut sich Rudolf Hellmann vom Grundstücksservice des Bezirksamts. Bevor die neue Schule das Haus kauft, muss aber erst mal der Müll weggeschafft werden. Auch Fatmas Klassenarbeit.

MARTIN MACHOWECZ