Migrantenkids helfen Studis

LehramtsstudentInnen sollen SchülerInnen mit Migrationshintergrund Förderunterricht geben. Das Modellprojekt hilft beiden: Die Studis bekommen Praxiserfahrung, die SchülerInnen lernen was

VON TANIA GREINER

Wenn man eine Schwarzwälder Kirschtorte in acht Stücke aufteilt, wie viel Grad hat dann der Winkel eines einzelnen Tortenstücks? Für Kinder mit Deutsch als Muttersprache eine klar verständliche Rechenaufgabe. Wer allerdings nicht weiß, was eine Schwarzwälder Kirschtorte ist, der hat schon verloren. Das weiß auch Bildungssenator Klaus Böger (SPD). „Mathematische Kompetenz“, so Böger gestern, „ist untrennbar mit dem Sprachverständnis verbunden.“ Die Senatsverwaltung startet deshalb ein Förderprojekt für SchülerInnen mit Migrationshintergrund der Sekundarstufe I.

Mit Beginn des kommenden Schuljahres werden 30 Studierende der Freien Universität (FU), der Technischen Universität und der Humboldt-Universität Siebt- bis Zehntklässler mit „NDH-Problematik“ – so bezeichnet die Senatsverwaltung Kinder nicht deutscher Herkunft – unterrichten.

„Die Studenten, die wir ausgewählt haben, studieren überwiegend im Hauptstudium Deutsch auf Lehramt“, erläutert Professor Hans Merkel von der FU, der dort das Projekt wissenschaftlich betreut. Die zukünftigen Lehrer werden in einer Schulung auf den Förderunterricht vorbereitet. Pro Unterrichtsstunde verdient jeder zehn Euro.

Von der Sprachförderung profitieren werden ab nächsten Herbst rund 200 SchülerInnen an acht Schulen in Marzahn, Kreuzberg und Neukölln. In Kleingruppen mit fünf bis sieben Teilnehmern wird an fünf Nachmittagen jeweils zwei Stunden lang unterrichtet – in allen Fächern, je nach Bedarf und Schwächen der Jugendlichen. An Samstagen können die SchülerInnen an einem freiwilligen Kulturangeboten wie etwa Theaterspielen oder Museumsbesuchen teilnehmen.

Die Idee und das Geld für das Projekt stammt aus Essen. Dort wird bereits seit 1974 Förderunterricht von Studierenden der Universität Essen für Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund erfolgreich angeboten. Derzeit erhalten dort etwa 740 SchülerInnen der Sekundarstufe I und II kostenfreien Zusatzunterricht. „Die Erfolge wurden schnell sichtbar. Vor allem bei der Versetzung oder beim Schulabschluss konnten wir deutliche Leistungsverbesserungem erzielen“, sagt Doreen Barzel, Projektreferentin bei der Mercator-Stiftung.

Die Stiftung fördert seit fünf Jahren das Essener Modell. Es soll nun an 35 weiteren Standorten bundesweit eingerichtet werden. Darunter auch Berlin. 180.000 Euro innerhalb von drei Jahren bekommt die Schulverwaltung von der Stiftung. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung gibt weitere 90.000 Euro dazu.

„Es ist dringend notwendig, dass sich zukünftige Lehrer mit der Situation vertraut machen, dass ihre Schüler nicht denselben Sprachhintergrund haben“, sagte gestern Barbara John, Koordinatorin für Sprachförderung in der Senatsverwaltung für Bildung. Sie fordert eine systematische Integration der Sprachförderung von Migrantenkindern ins Schul- und Lehrersystem. Der Unterricht müsse von Lehrern zunehmend individuell an SchülerInnen ausgerichtet werden.

Im Rahmes des fünfjährigen Bund-Länder-Programms „Sprachförderung bei Kindern und Jugendlichen“ steht dem Land Berlin eine Million Euro für Sprachförderung in Kitas, Schulen und außerschulischen Einrichtungen zur Verfügung. Seit Herbst 2004 erarbeitet die Senatsverwaltung außerdem ein Konzept „Integration durch Bildung“. Voraussichtlich in den kommenden Monaten soll es laut Böger en detail vorgestellt werden.