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„Als würde ich mich vor dem Amt ausziehen“

Max Senneburg*, 47, ist Fotograf und lebt mit seiner Frau und zwei Kindern in Berlin

„Bis März waren wir fast für das ganze Jahr ausgebucht, doch mit Corona kam der Einbruch: Meine Frau und ich können unseren Beruf als freischaffende Fotograf:innen nicht mehr ausüben. Alle Messen und Events wurden abgesagt, wir hatten keine Einnahmequellen mehr. Wir haben sofort Hartz IV beantragt, weil wir keine Rücklagen hatten. Damit können wir Zahlungen wie die Krankenversicherung sicherstellen.

Es ist komisch, vor den Ämtern so viele Informationen über sich preiszugeben – es fühlt sich an, als würde ich mich ausziehen. Wir bekommen Kindergeld und den niedrigsten Hartz-IV-Satz. Damit müssen wir klarkommen. Aber ich bin trotzdem froh, eine Absicherung zu haben.

Unser Kaufverhalten mussten wir gehörig einschränken. Es war ein Umlernen, nicht mehr die teure Milch aus dem Bioladen oder das teure Brot vom Biobäcker zu kaufen – kurz: sich auf Hartz IV einzustellen. Erst in den letzten drei Monaten haben wir angefangen, mit unseren Freun­d:in­nen über unsere Situation zu reden. Das macht verwundbar, es ist erst mal ein sozialer Abstieg. Mit den Kindern gehen wir so offen wie möglich um. Ich will ihnen nichts verheimlichen. Du kannst deinen Kindern nicht sagen: ‚Wir gehen jetzt essen, wir gehen schwimmen, wir machen einen Ausflug oder eine Reise.‘ Das fällt flach.

Die Kund:innen melden sich einfach gar nicht mehr. Und du denkst dann: ‚Haben die mich vergessen?‘ Das kratzt an der Seele.

Die Ungewissheit wächst mit jedem Tag, ich plane gar nichts mehr. Dass es weiter so bleibt und wir vielleicht irgendwann nicht mehr in diesem Haus wohnen können oder unser soziales Umfeld wegbricht. Ein stabiler familiärer Background hilft, das auszuhalten. Wenn der Hartz-IV-Satz um 14 Euro erhöht wird, ist das nicht wesentlich. Wenn wir über 50 Euro sprechen, ist das ein Einkaufskorb die Woche mehr. Aber da drunter, das ist zu wenig. Das ist eher ein falsches Signal.“

* Name geändert