heute in hamburg
: „Solidarität bezieht sich nicht auf alle“

Kundgebung „Geflüchtete schützen – Hotels öffnen. ZEA Rahlstedt schließen – Wohnungen für Alle“: 15.30 Uhr, vor der Innenbehörde, Johanniswall 4

Interview André Zuschlag

taz: Herr Möller-Santner, die umstrittene Quarantäne-Einrichtung für Geflüchtete in Rahlstedt wurde nun aufgelöst – warum wollen Sie heute dennoch vor der Innenbehörde protestieren?

Harald Möller-Santner: Die Auflösung war richtig, aber es ist erschreckend, dass wir die Behörden und die Politik erst auf diese untragbaren Zustände aufmerksam machen mussten. Und dennoch befinden sich Geflüchtete weiterhin in einer prekären Situation. Diese eine Auflösung reicht nicht.

Was meinen Sie konkret?

Es gibt Maßnahmen zur Vermeidung von Quarantäne gleich einer ganzen Unterkunft, wie das RKI sie fordert. Diese werden aber missachtet. Die gesamte Wohnsituation müsste entzerrt werden. Wie sollen Menschen Abstand voneinander halten, wenn sie auf engem Raum zusammenwohnen? Auch die Zentrale Erstaufnahme in Rahlstedt muss dringend geschlossen werden. Das sind große Hallen mit dünnen Trennwänden, die nicht bis zur Decke reichen. Oben gibt es eine Deckenbeleuchtung, die für alle gleichzeitig an- und ausgeschaltet wird. Es gibt weder barrierefreien Zugang zu einer Rechtsberatung noch ein fachgerechtes Screening auf psychische Probleme. Das alles ist menschenunwürdig und unhaltbar.

Wie kommt das?

Es wird immer das Wort „Solidarität“ bemüht. Aber es bezieht sich nicht auf alle Menschen. Weder auf die Menschen in den europäischen Außenlagern noch auf Menschen in den Sammelunterkünften hier vor Ort.

Was hat das für Folgen für Geflüchtete?

Foto: privat

Walter Möller-Santnerist Sprecher vom Bündnis Solidarische Stadt Hamburg.

Gerade für geflüchtete Menschen, die unter Kriegs- und Fluchttraumata leiden, besteht neben akuter Ansteckungsgefahr mit dem Virus eine erhebliche Gefahr der Retraumatisierung. Unserer Ansicht nach gehören alle Ankommenden zur Risikogruppe. Sie müssten also dringend auch so behandelt werden.

Wie können Geflüchtete nun am besten geschützt werden?

Es gibt ungenutzte, als Reserve vorgehaltene Einrichtungen, weil ja „dank“ der europäischen Abschottungspolitik immer weniger Menschen hier ankommen. Diese müssen jetzt genutzt werden. Hinzu haben auch Hotels enorme freie Kapazitäten. Ebenso wie Obdachlose, die das dringend benötigen, brauchen auch Geflüchtete zumindest in den nächsten Monaten eine sichere Unterkunft. Grundsätzlich aber fordern wir für alle ein Recht auf Wohnungen.