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: Das Erinnern der Älteren

Elfmeter? Sind neuerdings immer drin. Ein Bundesliga-Spieltag für die Statistik und für Robert Lembke selig

Sehr gemächlich …, Antastphase, Abtastphase …, noch nicht auf Betriebstemperatur …– so klingt das, wenn die Bundesliga-Konferenz auf Sky begonnen hat. Auch die Reporter, angeblich Fachleute, sind noch nicht betriebstemperiert: Beim Union-Spiel ist der Mann sicher, dass in der 3. Minute klares Abseits vorlag, auch bei angehaltenem Schirm. Er fragt sich und uns, warum das noch mal überprüft wird. Warum? Klares Tor, nix Abseits.

Gleichzeitig ist Schalkes Matija Nastasić mental noch vor der Playstation: Erst schiebt er einen F-Jugendpass ins Nirgendwo-Aus. Zwei Minuten später rammt er den Gegenspieler um und tritt ihm dabei noch saftig in die Hacken. Elfmeterer geht kaum. Der Mikromann mutmaßt Handspiel, „wenn überhaupt“. Video-Überprüfung, Foulelfmeter, Tor, fertig. Schalke ist erfolgreich auf dem Weg zur unendlichen Sieglosigkeit.

Später hat Jörg Dahlmann seinen Auftritt. Als in Augsburg fast ewig um einen Elfmeter-Pfiff diskutiert wird, gutelaunigt er dazwischen: „Hier wird so lange debattiert wie einst bei Robert Lembke, Internationaler Frühschoppen – die Älteren werden sich erinnern.“ Taten sie auch: Da war nicht der gute Lembke Gastgeber im Zigarettendunst, sondern Werner Höfer, der alte Nazi-Schmierfink. Niemand flüsterte Dahlmann (oder war es Armin Dahl?) was ins Headset. Vermutlich saßen nur Jüngere in der Redaktion, die bei Lem(b)ke allein an Werder Bremen denken. Eine halbe Stunde später waren die Jüngeren alt genug geworden – Dahlmann wechselte entschuldigend Werner ­Höfer ein. Rückennummer 88.

All das ist wichtig in dieser Geisterspiele-Trübnis. Nach dem Ligalockdown im Frühjahr war man ja froh, dass es weiterging. Publikum? Egal. Hauptsache Ball. Mittlerweile sind die sterilen Stadien öd geworden, zumal wenn man zwischendurch Champions League guckt: 20.000 geordnet verteilt in Budapest, 15.000 maskenlos zusammengepfercht in ­Rennes. Vive la France! So verteidigt man die Infektions-Tabellenführung in Europa.

Danken muss man den Sky-Datenbanken. Die letzten 33 Bundesliga-Strafstöße wurden allesamt verwandelt. Das ist schon eine erstaunliche Zahl, wissen doch langjährige Statistiken weltweit von jedem vierten als Fehlversuch. Ob das am aktuellen Geisterdasein liegt? Torhüter könnten ihre Jubelexplosion nur leeren Sitzschalen zeigen. Und den coolen Elfmeter-Schützen fehlt die Angst vor Zehntausenden Augenpaaren, die den Misserfolg herbeisehnen oder befürchten. So weit die Küchenpsychologie.

Toll: Der FC Schalke 04 ist mit dem 2:2 in Mainz schon nachgezählt vier Pflichtspiele ohne Niederlage

Alle Elfer immer drin? Abwarten, bis Schalke einen bekommt. Schalke ist mit dem 2:2 in Mainz schon nachgezählt vier Pflichtspiele (inklusive Pokaltriumph unter der Woche gegen den Viertligisten Schweinfurt) ohne Niederlage. Allerdings auch 23 Ligaspiele ohne Sieg, eine Zahl, die Tasmania 1900 (Ältere: Erinnern!) allmählich um die Pole Position zittern lässt. 31 Spiele, Bundesliga 1965/66. Rekordzeitspanne ist es für S04 jetzt schon: 10 Monate, 4 Tage.

Zahlenzahlen. Leroy Sané traf am Abend in Dortmund, obwohl es nur eine 11-prozentige Wahrscheinlichkeit für einen erfolgreichen Schuss in dieser Situation gab. Sagt die Datenbank. Verrät uns Sky. Ob das alles stimmt mit den Statistiken? Hat nicht neulich noch Robert Lembke selig einen Elfmeter von Werner ­Höfer unselig gehalten? Die Älteren werden sich bestimmt erinnern. Bernd Müllender