Pakistan präsentiert den „fünften Mann“

Einiges spricht dafür, dass Haroon Rashid Aswat der Drahtzieher hinter den Anschlägen vom 7. Juli ist. Der Brite kannte alle vier Attentäter

LONDON taz ■ Pakistans Polizei hat den Hintermann der Londoner Bombenanschläge vom 7. Juli gefasst – davon sind die Sicherheitskräfte jedenfalls überzeugt. Während der britische Botschafter in Pakistan, Mark Lyall Grant, gestern bestritt, dass es sich bei dem Verhafteten um Haroon Rashid Aswat handelt, bestätigte ein Sprecher der Polizei in Islamabad dessen Identität. Er sagte, der 30-Jährige sei bereits am Montag in einer Religionsschule, einer Madrassa, 150 Kilometer südlich von Islamabad festgenommen worden. Er soll einen Gürtel mit Sprengstoff getragen haben und im Besitz eines britischen Passes mit falschem Namen, mehreren Waffen und umgerechnet 25.000 Euro Bargeld gewesen sein.

Aswat war zwei Wochen vor den Londoner Anschlägen mit der Fähre nach Großbritannien eingereist; wenige Stunden vor den Anschlägen flog er vom Londoner Flughafen Heathrow nach Pakistan. Die Untersuchung der Mobiltelefone der Attentäter hat ergeben, dass alle vier in den Tagen vor den Anschlägen mehrmals mit Aswat gesprochen haben. Mohammad Sidique Khan, der die U-Bahn in der Nähe der Station Edgware Road gesprengt hat, hat noch kurz zuvor mit ihm telefoniert.

Aswat ist britischer Staatsbürger. Er stammt wie Khan aus Dewsbury bei Leeds und ist der Drittälteste von zehn Geschwistern. Seine Eltern waren vor mehr als 30 Jahren aus Indien nach Großbritannien gekommen. Einer seiner Brüder sagte, die Familie habe in den vergangenen zehn Jahren kaum Kontakt zu Aswat gehabt. Der soll zwei der Londoner Attentäter im vorigen Jahr in einer Madrassa in Pakistan kennengelernt haben.

Auch das FBI ist hinter Aswat her. Er soll im November 1999 „auf Anweisung eines muslimischen Geistlichen in London“, wie die Times behauptet, von Großbritannien nach New York geflogen sein, um in Oregon ein Al-Qaida-Ausbildungslager aufzubauen. Er soll sein Vorhaben jedoch aufgegeben haben, weil die Ranch in Bly nicht über genügend Unterkünfte für die Rekruten verfügte. Aswat war damals in Begleitung von Oussama Abdullah Kassir, einem Libanesen mit schwedischem Pass, der sich als „Hitman bin Ladens“ bezeichnete und vor zwei Jahren in Stockholm wegen illegalen Waffenbesitzes zu zehn Monaten Gefängnis verurteilt wurde. Sowohl Kassir als auch Aswat sollen Ussama Bin Laden in einem Ausbildungslager in Khalden in Afghanistan getroffen haben.

Die pakistanische Regierung hat seit dem Wochenende mehr als 200 Personen verhaftet. Acht von ihnen, so erklärten die Sicherheitskräfte in Islamabad, stehen zu direkter Verbindung mit den Anschlägen in London, bei denen vor 15 Tagen die vier Attentäter und 52 weitere Menschen starben.

Vorgestern wurde das letzte Opfer formal identifiziert. Es ist Ateeque Sharifi aus Afghanistan. Der 24-jährige Muslim war nach Großbritannien geflohen, nachdem seine Eltern von den Taliban ermordet worden waren. Er studierte am West Thames College und arbeitete als Pizzalieferant, um seine jüngere Schwester in Afghanistan finanziell unterstützen zu können. Sie ist nun die einzige Überlebende der Familie. RALF SOTSCHECK