Vereine bluten aus

Beim Eimsbütteler Turnverein häufen sich die Austritte, Neuanmeldungen bleiben dagegen aus. Der Sportsenator hat derweil einen zweiten Nothilfefonds für Sportvereine angekündigt

„Je länger der Lockdown dauert, desto ungeduldiger werden die Mitglieder“

Marcus Braun, Eimsbütteler Turnverein

Von Lissy Malethan

Die erste Welle der Coronapandemie hat die Hamburger Sportvereine weitgehend verschont. Nur zehn Prozent weniger Mitgliedschaften als im Vorjahr waren bis Juni verzeichnet worden, sagt Maarten Malczak vom Hamburger Sportbund. Nun mussten die Vereine am Montag wieder schließen. Zudem endet am 30. November – bis dahin gelten die momentanen Einschränkungen noch auf jeden Fall – die Kündigungsfrist für die Mitgliedschaft bei vielen Vereinen.

Das spürt auch der Eimsbütteler Turnverein (ETV): Marcus Braun, Vorstand für Finanzen und Freizeitsport, berichtet von zuletzt steigenden Austrittszahlen. Wie hoch die Verluste im Vergleich zum Vorjahr sein werden, ist noch unklar. „Je länger der Lockdown dauert, desto ungeduldiger werden die Mitglieder“, sagt Braun. Das Hauptproblem seien jedoch die ausbleibenden Neuanmeldungen seit März; 700 weniger als vor einem Jahr verzeichnet der Verein.

Der Hamburger Sportsenator Andy Grote (SPD) hatte vergangenen Freitag einen Nothilfefond in einer Gesamthöhe von vier Millionen Euro, maximal 40.000 Euro pro Verein, angekündigt. Voraussichtlich Ende der Woche werde das Geld zur Verfügung gestellt, ergänzt Malczak vom Sportbund.

Schon beim ersten Lockdown im April hatte es ein Hilfspaket der Stadt über fünf Millionen Euro für Sportvereine gegeben, wovon jedoch nur 1,2 Millionen Euro beansprucht wurden, bestätigte der Präsident des Hamburger Sportbunds, Jürgen Mantell, in einem Interview mit dem NDR. Er begründete dies damit, dass die Mitglieder im Verein verblieben waren und die kleinen Vereine selbst viel ehrenamtliche Unterstützung hatten.

Die Unterstützung von 25.000 Euro aus dem ersten Nothilfefond, die der ETV erhalten hatte, habe dem Verein laut Braun zwar geholfen, sei bei 40.000 bis 50.000 Euro monatlichen Verlusten, die der ETV momentan hat, jedoch „ein Tropfen auf den heißen Stein“ gewesen.

Ähnlich gehe es laut Malczak auch anderen Vereinen. Vor allem die Größeren müssten kostenaufwendige Sportanlagen instand halten, dafür brauche es jährlich große Summen. Zusätzliche Verluste durch Anpassungen an die Coronamaßnahmen und weniger Einnahmen durch Vermietungen und Kooperationen mit Bildungseinrichtungen verschlimmerten die Situation.

Auch die Angestellten leiden unter der derzeitigen Situation: Die Festangestellten des ETV sind in Kurzarbeit, für die Honorarkräfte kommt das aufgrund der Gemeinnützigkeit der Vereins aber nicht infrage. Der Verein versuche, die Honorarkräfte weitgehend für ausstehende Aufgaben einzuplanen, sagt Braun. Beschäftigt seien damit jedoch weniger als zehn Prozent von ihnen. Alternativ vermittelt der ETV Schulbetreuer*innen, in diesem Bereich könnten die Honorarkräfte vorübergehend tätig werden.

Dieses Angebot kann aber nicht jeder Verein machen. Und unter der Schließung der Sportvereine leiden vor allem Kinder und Jugendliche, für welche Sport ein wichtiger sozialer und entwicklungsfördernder Aspekt ist.

„70 bis 80 Prozent der Kinder, vor allem der jüngeren Altersklassen, sind aktuell in Sportvereinen organisiert“, so Malczak. Er befürchtet auch, dass durch die Schließung der Vereine eine generelle Entfremdung vom Vereinssport entstehen könnte. Schon nach den Sommerferien hätten Vereine zurückgemeldet, dass ihre Mitglieder gegenüber den Sicherheitsauflagen kritisch eingestellt seien, weil sie den Sport mühsamer machten.

Insgesamt zählen die Sportvereine laut Malczak in diesem Jahr 81 Tage, an denen sie aufgrund von Corona schließen mussten – sofern der jetzige Lockdown nicht verlängert wird. „Die schwindenden Mitgliedschaften wieder zu kompensieren, wird viel Arbeit und Zeit kosten.“