Zwei Männer, eine Freundschaft

Jürgen (Rüttgers) und Edmund (Stoiber): Erst beharkten sie sich, dann besiegelten sie ein Zehn-Punkte-Papier und jetzt kippten sie gemeinsam die Rechtschreibreform. Die Geschichte einer Männerfreundschaft zwischen Bayern und Nordrhein-Westfalen

VON BORIS R. ROSENKRANZ

Es ist schnell gesagt, woran es der politischen Klasse fehlt: an Frauenfreundschaften! Der Duden führt dieses Wort nicht einmal. Ein fataler Fehler: Denn sollte Angela Merkel Bundeskanzlerin werden, müsste das Wort umgehend aufgenommen werden, so gut stehen die Chancen, dass Merkel zur Busenfreundin von, sagen wir mal: Condoleezza Rice avanciert. Aber solange das nicht ist, begnügen wir uns mit einem Wort, dem die Duden-Redaktion einen festen Platz eingeräumt hat: Männerfreundschaft.

Sofort schießen Bilder durchs Gehirn: Schröder küsst Putin, Schröder umarmt Chirac, Schröder gibt Bush – die Hand. Weil Schröder aber vermutlich bald vorbei ist, müssen wir uns neue Männerfreundschaften suchen. Zum Beispiel diese hier: Sie begann im Mai vergangenen Jahres. Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) reiste nach Düsseldorf, um sich dort mit CDU-Oppositionsführer Jürgen Rüttgers zu treffen. Schnell war in den Medien von einem Gipfeltreffen die Rede, was hochtrabend klingt, von Stoiber und Rüttgers aber sogleich herzlich ausgenutzt wurde. Nachdem sich die beiden über Jahre immer wieder behakt hatten, wie es sich für eine ordentliche Männerfreundschaft gehört, rauften sich Rüttgers und Stoiber bei dem so genannten Gipfeltreffen zusammen und besiegelten ein Zehn-Punkte-Papier, in dem sie sich unter anderem gegen Sonderwirtschaftszonen und für die Rückführung der Staatsverschuldung aussprachen.

Dieses Papier war grundlegend für die Freundschaft zweier Männer, die sich nicht nur in ihrem hölzernen Habitus verblüffend ähneln, sondern auch im Laufe der Zeit immer mehr Parallelen entdeckten. Bis dahin, dass Stoibers Tochter Veronica (genannt: Vroni) im Dezember in Dortmund einen Mann heiraten wird, dessen Vater Rüttgers zum Sieg bei der Landtagswahl verhalf. Aber später mehr dazu.

Politisch haben Rüttgers und Stoiber erst in der vergangenen Woche wieder einen Coup gelandet. Statt wie alle anderen Bundesländer die neue Rechtschreibung zum 1. August verbindlich zu machen, beschlossen die Ministerpräsidenten der beiden bevölkerungsreichsten Bundesländer: Nicht mit uns! Was in weiten Teilen Deutschlands gilt, wird in Bayern und NRW einfach missachtet, komme was wolle, auch Kritik aus den eigenen Reihen ist da erst mal egal. Typisch: Im Gegensatz zu normalen Männerfreundschaften, die sich gerne um Bier oder Fußball drehen, geht es bei der politischen Männerfreundschaft vornehmlich um Macht.

Schon vor der Blockade der Rechtschreibreform und dem Düsseldorfer Zehn-Punkte-Papier standen sich die Länderchefs nahe. Anfang Februar des vergangenen Jahres berief Rüttgers den früheren Chef der Bild am Sonntag, Michael Spreng, zu seinem Berater. Spreng hatte im Bundestagswahlkampf 2002 bereits Stoiber zur Wahlniederlage beraten, und auch sein Erfolg mit Rüttgers war marginal. Zehn Monate nach seiner Berufung dankte Spreng, wie es so schön heißt, „aus persönlichen Gründen“ wieder ab. Rüttgers gewann die Landtagswahl trotzdem. Der Männerfreundschaft zwischen Rüttgers und Stoiber tat Sprengs Tätigkeit auch kein Abbruch. Ganz im Gegenteil: Rüttgers signalisierte lange vor seinem Wahlsieg in NRW, dass er sich an den bayerischen Standards in Sachen Bildung oder Wirtschaftswachstum orientieren wolle. Und nicht nur das: Rüttgers droht, er wolle Bayern mit NRW überholen. Auch dies ist ein Merkmal handfester Männerfreundschaft: Der Machtkampf funktioniert nicht nur zu zweit gegen alle anderen, sondern auch untereinander. Es wird gebalzt, bis sich die Balken biegen. So lange, bis einer zugeben muss, dass der andere der Bessere ist; oder bis das Umfeld entscheidet, wer der Bessere, Klügere, Schönere ist. Beim unlängst verstorbenen Ex-Chef der Bild-Zeitung, Peter Boenisch, waren es schließlich Frauen, die befanden: Axel Springer, dem Boenisch nahe stand, ist der Schönere. Bei einem Ball wurde ein Kuss von Springer für 1.200 Mark ersteigert, der von Boenisch brachte nur 400.

Aber zurück zu Rüttgers und Stoiber. Politisch segeln die beiden auf einem klaren Kurs. Auch künftig würden sie als Länderchefs gemeinsame Sache machen, wenn die Bundestagswahl nicht Stoiber befördert. Nebenbei: Was wäre Stoiber in diesem Zusammenhang ohne Rüttgers? Erst weil der die NRW-Wahl für sich entschied, rief Schröder Neuwahlen aus, was Stoiber zum potenziellen Außenminister der nächsten Legislaturperiode machte. Dafür hat sich Stoiber aber sicherlich schon bedankt.

Neben der politischen Achse Rüttgers-Stoiber respektive NRW-Bayern existiert noch eine andere, eine private Verbindung. Wie kürzlich bekannt wurde, will Veronica Stoiber, die 27-jährige Tochter des bayerischen Ministerpräsidenten, einen Unternehmensberater aus Dortmund ehelichen. Er heißt Olaf Saß, ist 35 Jahre alt und Sohn von Klaus-Ulrich Saß, der in Rüttgers „NRWin-Team“ für einen Landtags-Wahlsieg der CDU trommelte.

Ein wirklich würdiges Ende für die Geschichte einer Männerfreundschaft, die gerade erst warm gelaufen ist. An Frauenfreundschaften mangelt es trotzdem.