Werbung ohne Goldkante

Für neue Produkte braucht man Fantasie – oder Experten. Ado hat beides: Ihre Raumluft filternden Stoffe lässt die emsländische Gardinen-Firma von Fachleuten feiern – mit frei erfundenen Statements

Hygiene-Gardinen wären ein idealer Raumluftfilter – wenn es denn funktioniert

von Johann Müller
undBenno Schirrmeister

Experten sind prima Werbeträger – gerade wenn man eine technologische Neuerung auf den Markt werfen will. Das weiß man auch in Aschendorf im Emsland. Dort hat die Firma Ado international ihren Sitz. Ado ist Marktführerin in Sachen Gardinen. Und in ihrer Broschüre zur „Weltpremiere“ von „Bio Protect®“, der „revolutionären neuen Textiltechnologie“ lässt sie so ihre Zeugen zu Wort kommen. Beispielsweise einen „Prof. Dr. med. Jürgen Sternowsky, Chefarzt HNO- Klinik (Soltau)“. „Der Nachweis im Labor“, zitiert ihn die Broschüre „hat uns überzeugt.“ Und er sei „gerade als Mediziner“ von diesem besonderen Stoff „schwer beeindruckt“.

Problem: Es gibt zwar einen Prof. Dr. med. Hans-Jürgen Sternowsky in Soltau, jedoch keine Hals-Nasen-Ohren-Klinik. Und: Die Aussage ist frei erfunden. „Mir ist Ähnliches noch nicht passiert“, schreibt Sternowsky, seines Zeichens Chefarzt für Kinderheilkunde in der Kreisklinik in einer Stellungnahme, die der taz vorliegt. „Entsprechend bin ich aufgebracht und wütend über diese unverschämte Anmaßung“. Auch sei die Wortwahl diametral entgegengesetzt zu seiner eigenen Schreib- und Redeweise. Sternowsky: „Ein Naturwissenschaftler kann nicht schwer beeindruckt sein.“

Sternowsky ist kein Einzelfall: So lässt sich der in derselben Broschüre zitierte „Hilmar Austermann, Architekt (Bad Homburg)“ nicht ausfindig machen. Ebenso führt weder das Telefon- noch das Branchenbuch das Restaurant „Zur Linde“ in Augsburg auf. Und das Hotel Schloss Lobenstein in Weimar, dessen Direktor in dem Heftchen den Einfluss der neuen Gardinen aufs Raumklima rühmt, verdient offenbar den Beinamen Traum-Hotel. Nicht minder fantastisch die Werbung für „ActiBreeze®“: Fünf Fachleute werden angeführt, drei lassen sich real-existierenden Personen zuordnen, keiner von ihnen wusste von seinem Expertentum. Ein Leipziger Raumausstatter wird in der Broschüre als Interior-Designer vorgestellt: Nach eigenen Angaben verkauft er mitunter auch Gardinen und hat einmal mit der Innung das Ado-Werk besichtigt. Außerdem angeblich von „ActiBreeze®“ entzückt: Eine Hotelinhaberin, die Ado-Mitarbeiter kennt, aber die ihr zugeschriebene Äußerung nicht. Und ein Dr. med. und Allergologe aus Neumünster, der im wahren Leben weder promoviert noch Facharzt ist – und von den Gardinen nichts wusste.

Bei beiden von Ado so promoteten Neuentwicklungen handelt es sich um so genannte hygienische Textilien. Diese werden seit einigen Jahren beispielsweise bei Krankenhaus-Kleidung eingesetzt. Sie sollen das Wachstum von Bakterien hemmen und damit das Infektionsrisiko bei Patienten und Personal verringern. Vorbehalte gegen derartige Kleidung: möglicherweise töten sie auch Gesundheits erhaltende Bakterien auf der menschlichen Haut ab. Bei Gardinen stellt sich diese Frage nicht, so lange man sich nicht in sie einhüllt. Folglich wären Hygiene-Gardinen ein idealer und kostengünstiger Raumluftfilter. Voraussetzung ist aber, dass es funktioniert.

Doch darüber ist wenig bekannt. Und Ado international betreibt diesbezüglich eine Politik der geschlossenen Gardine. Auf Nachfragen wurde Werbematerial übersandt: Keine sehr zuverlässige Informationsquelle. Auf die Kritik an den PR-Broschüren reagierte der Gardinen-Hersteller zunächst mit Schweigen. Gestern, nach wochenlangem Insistieren dann eine Replik: Die Broschüren – die noch vergangene Woche in einem Oldenburger Baumarkt ausgeteilt wurden – seien „alt und vom Markt“, rattert die Unternehmenssprecherin los. „Eventuell liegt ein Kommunikationsproblem mit einer Agentur vor.“ Außerdem wolle sie nicht mehr belästigt werden. Spricht’s und hängt ein. Vorhang, Ado.