: Stolz und Demut
Eine Feier der Schönheit und Anhänglichkeit des Tiers: „Magische Rosse“ im Museum für Kunst und Gewerbe
Als lange Haare bei Männern noch modern waren, lang ist‘s her, da wurde so mancher „Mähne“ genannt. Bei Ingrid von Kruses Fotografien sind echte Mähnen zu bewundern: Pferdemähnen. Auf 35 Schwarzweißaufnahmen von Rappen und Schimmeln, die vor dem Spiegelsaal und im Haupttreppenhaus des Museums für Kunst und Gewerbe zu sehen sind, stehen offene und geschmückte Mähnen für das Aufbäumen, aber auch die Hingabe der Pferde.
Da wirft ein Rappe die Mähne im Galopp als wild gezackte Linie im Schattenriss hinter sich. Oder ein Lippizzaner senkt wie ein schüchternes blondes Mädchen den Kopf. Wie ein Vorhang fällt die Mähne in langen, sanft gewellten Haarsträhnen zu Boden. Mythos Pferd: Zwischen den Polen Wildheit und Gezähmtheit, Geschwindigkeit und Ruhe, Stolz und Demut bewegen sich die Silbergelatine-Fotos der Schau „Magische Rosse – Schwarz und Weiß“.
Neben „echten“ Pferden, die Ingrid von Kruse in der Stierkampfarena abgelichtet hat, beim Trabrennen, im Zirkus oder auf Gestüten, präsentiert die in Hamburg geborene Fotografin auch Bilder von Pferdedenkmälern. Komplettiert wird die Hommage an das Pferd durch Texte aus der Weltliteratur von Ovid bis Durs Grünbein, die deren Bewunderung für geheimnisvolle Kentauren und „abgrundschwarze“ Rösser zum Ausdruck bringen. Auch der Koran lobpreist das Pferd als „prächtiges Tier“, zu dem Gott spricht: „Auf der ganzen Erde sollst du glücklich sein und vorgezogen werden allen übrigen Geschöpfen.“
Keine Frage: Auch Ingrid von Kruse ist rettungslos dem Zauber der Pferde verfallen. Ihre zwischen 1989 und 2003 in Deutschland, Italien, Spanien und Russland entstandenen Fotos feiern die Schönheit, Geschmeidigkeit und Anhänglichkeit der Tiere. Ihre Schnelligkeit betont von Kruse in stark verwischten Bewegungsstudien, ihr Sozialverhalten in gestochen scharfen Nahaufnahmen – wie der von zwei jungen Hengsten, die ihre sehnigen, schlanken Hälse aneinander schmiegen. Bei einem anderen Foto liegen die Nüstern eines Hengstes wie zum Kuss auf dem Rücken einer Stute, die Hufe eng an ihren Leib gepresst. Was die auf den ersten Blick so intime Beziehung stört, ist der straff gespannte Zügel am Maul des Hengstes.
Das Pferd als vom Menschen gezähmtes Tier klammert von Kruse nicht aus. Bilder von einem müden Ackergaul oder malträtierten Zirkuspferd wird man hier allerdings vergeblich suchen – vor allem schön sind diese Fotos, poetisch und romantisch. Bewegungslos lässt sich da ein Schimmel von einem Stallburschen striegeln. Ein Sinnbild der stillen Unterwerfung. Die Mähne kann man nur noch ahnen: Sie ist mit vielen kleinen Schleifen zur bloßen Zierde gebändigt. Karin Liebe
Di–So 10–18, Do 10–21 Uhr, Museum für Kunst und Gewerbe; bis 28. August
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