Grüne wollen die Mauer wieder hochziehen

Im Streit um das richtige Mauergedenken haben die Grünen ihr Konzept vorgestellt. Ein „Museum des Kalten Krieges“ halten sie für wenig hilfreich

Das Zerren und Ziehen im Streit um die Erinnerung an die Berliner Mauer geht weiter. Alice Ströver, kulturpolitische Sprecherin der Bündnisgrünen im Abgeordnetenhaus, erläuterte gestern die Vorstellungen ihrer Fraktion zum Mauergedenken.

Lange Zeit war in Sachen Mauergedenken nichts passiert, um so lauter wurde es dann in den vergangenen Wochen. Die umstrittenen Holzkreuze von Mauermuseums-Chefin Alexandra Hildebrandt am Checkpoint Charlie wurden abgeräumt, Kultursenator Thomas Flierl (PDS) brachte eine neue Idee ins Spiel: ein Museum des Kalten Krieges auf dem jetzt wieder brachliegenden Checkpoint-Grundstück. Zudem verabschiedete der Bundestag Anfang Juli einen Beschluss für einen zentralen Mauergedenkort am Brandenburger Tor.

Alice Ströver freut sich über den entbrannten Mauerstreit. Ihre Fraktion, so die kulturpolitische Sprecherin gestern, habe jahrelang vom Senat gefordert, sich der Geschichte der geteilten Stadt anzunehmen. Mit dem im April von Senator Flierl vorgelegten „Gedenkkonzept Berliner Mauer“ kann Ströver nicht viel anfangen: „Dieses Konzept sieht zwar den Ausbau der Mauergedenkstätte an der Bernauer Straße vor“, sagte sie. Es sei ein Schritt in die richtige Richtung, der ihrer Fraktion aber nicht weit genug gehe. „Die Bernauer Straße ist ein geeigneter Ort, um die Dimension der Teilung erfahrbar zu machen.“ Deshalb plädierten die Grünen für die Rekonstruktion der Grenzsituation mit insgesamt etwa zehn Sperranlagen und einem Wachturm. Dafür müssten laut Ströver nur die vorhandenen Bestandteile an ihren ursprünglichen Ort gebracht werden. Die dort existierende Gedenkstätte mit der Mauerinstallation des Stuttgarter Architektenbüros Kohlhoff & Kohlhoff muss nach Auffassung der Grünen neu durchdacht werden: „Das Denkmal verbaut den Blick auf das, was man eigentlich sehen sollte.“ Ströver appellierte auch an die Dokumentationsstelle, sich künftig stärker der individuellen Schicksale von Maueropfern anzunehmen.

Das Gesamtkonzept der Grünen setzt in erster Linie auf die Ausgestaltung der authentischen Orte und deren Verknüpfung. Nur noch ein Prozent der ehemaligen innerstädtischen Mauer sei heute erhalten und solle vollständig unter Denkmalschutz gestellt werden. Wichtiger noch sei aber die übergeordnete Einordnung der einzelnen Erinnerungsorte. „Das gesamte staatliche Unrecht des SED-Regimes muss dokumentiert werden“, sagte Ströver. Sie sieht darin eine Aufgabe von Bund und Ländern. Ein „Museum des Kalten Krieges“, wie es der Kultursenator vorschlägt, lehnt ihre Fraktion ab. Dieser Aufgabe würden sich bereits andere Erinnerungsstätten annehmen: das Alliierten-Museum und das Deutsch-Russische Museum Karlshorst. Neben dem Ausbau der Bernauer Straße fordert die bündnisgrüne Fraktion ein vernünftiges Konzept für die Gedenkstätte Hohenschönhausen in Verbindung mit der ehemaligen Stasi-Zentrale in der Normannenstraße. Orte, so Ströver, wo Menschen für ihre Ablehnung des Systems gelitten hätten.

Wie die noch existierenden Mauerspuren miteinander in Verbindung gebracht werden können, habe die Initiative von Michael Cramer, heute Europaabgeordneter der Grünen, vorgeführt. Der seit 2001 ausgebaute Fahrradweg entlang der ehemaligen Mauer in der Innenstadt und rund um den Westteil der Stadt erfreue sich großer Beliebtheit. TANIA GREINER

Auch in diesem Sommer bieten die Grünen Radtouren auf dem ehemaligen Mauerstreifen an. Auf eigene Faust kann man mit der Broschüre „Berliner Mauerstreifzüge“ losziehen. Infos zu Radtouren und Broschüre unter www.gruene-fraktion-berlin.de