piwik no script img

Mehr Lärm im Westen

Der Senat verteidigt die Idee, in Oslebshausen eine Bahnwerkstatt anzusiedeln, gegen die Vorwürfe der Bürgerinitiative und Beiräte. Informiert wird aber erst nach der Entscheidung

Dass der Koalitionsvertrag Oslebshausen eine Entlastung versprach, dazu schweigt das Ressort

Von Jan Zier

Das SPD-geführte Häfenressort verteidigt Pläne, in Oslebshausen eine Bahnwerkstatt anzusiedeln – die im Stadtteil auch bei rot-grün-roten PolitikerInnen auf heftigen Widerstand stoßen. Das Projekt könnte noch für Streit in der Regierungskoalition sorgen.

Der Hintergrund: Die Landesnahverkehrsgesellschaft Niedersachsen (LNVG) investiert in mindestens 30 neue Doppelstockzüge für den Regionalverkehr. Drumherum soll eine neue Eisenbahnwerkstatt mit Waschanlage entstehen. Noch ist nichts entschieden, das Bieterverfahren der LNVG läuft noch bis Jahresende.

Nur: Die dabei beteiligten Experten „stellen bislang fest“, dass der Standort in Oslebshausen „die Voraussetzungen offenbar besonders gut erfüllt“, schrieb Tim Cordßen (SPD), Staatsrat im Häfenressort der Bürgerinitiative Oslebshausen und Umzu (BI) in einem Brief. Das Grundstück, eine brachliegende Gleisanlage, die zwischen der Reitbrake und der Togostraße auf Höhe des Ölhafens liegt, gehört derzeit noch der Stadt Bremen.

Die Leiterin des Ortsamtes West, Ulrike Pala und das Stadtteilparlament haben von den Ansiedlungsplänen nach eigenen Worten erst durch anonyme Post erfahren, die zugleich an die örtliche Presse versandt wurde. Der lokale SPD-Vorsitzende sagte, dass er „überhaupt nicht glücklich“ mit dem Vorhaben sei, der Fraktionssprecher der Linken erklärte im Beirat: „Wir lehnen die Pläne rundweg ab.“ Parteiübergreifend wurde das Verfahren als intransparent kritisiert.

Cordßen verspricht nun, dass „es möglich sein wird, die Planungen der Öffentlichkeit vorzustellen“ – aber erst, wenn die LNVG schon über den Standort entschieden hat. Beim Häfenressort stößt das Vorhaben auf Zustimmung: Bremen sei bemüht, Gewerbe- und Hafenareale „aufzuwerten“ und die Bahn zu stärken, so Cordßen. Und: „An dieser Stelle ermöglicht die potenzielle Ansiedlung der Bahnwerkstatt nicht zuletzt die Ansiedlung neuer, für Bremen wertvoller Arbeitsplätze.“ Die Rede ist von 100 Jobs. Dass die tatsächlich entstehen, bezweifelt die BI – schließlich würde die bestehende Bahnwerkstatt der DB Regio an der Parkallee ja „vermutlich geschlossen“.

Wozu Cordßen schweigt: Der rot-grün-rote Koalitionsvertrag hat Oslebshausen versprochen, dass „der Stadtteil durch Maßnahmen in den Bereichen Müll, Verkehr und Lärm entlastet wird“. Die BI fürchtet, dass sich die Lärmbelastung insbesondere zu Nachtzeiten erhöhen werde, weil tagsüber auf der dicht befahrenen Strecke die Kapazitäten fehlten. Sie rechnet vor: In den nächsten 60 Jahren würden Züge ganz ohne Passagiere bis zu 66 Millionen Kilometer weit durch den Bremer Westen fahren, je 15 Kilometer vom Hauptbahnhof in die Bahnwerkstatt und zurück.

Ihr sei „sehr bewusst“, dass die Bevölkerung in Oslebshausen „deutlich größeren Belastungen ausgesetzt“ sei als jene aus anderen Teilen der Stadt, schreibt Wirtschaftssenatorin Kristina Vogt (Die Linke) der BI, und dass ihr die positive Entwicklung im Westen „sehr am Herzen“ liege; sie kommt selbst von dort. Doch ihr sind die Hände gebunden: Sie sei gar nicht zuständig, schreibt sie der BI.

Sowohl das Häfenressort als auch die Bahn und die Handelskammer verweisen auf das nach der Entscheidung der LNVG noch anstehende formelle Genehmigungsverfahren. Nur: Die Züge sollen ab 2024 eingesetzt werden. Bei einem Scheitern des Verfahrens wäre kaum genug Zeit, einen neuen Standort zu finden, so die KritikerInnen, und teuer zu stehen käme es die LNVG und Bremen womöglich auch. „Insofern wird es ein Scheitern nicht geben, da es schlicht kein Scheitern geben darf“, heißt es aus den Reihen der BI.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen