Neugestaltung Karl-Marx-Allee in Berlin: Klima und Denkmal geschützt
Die Umgestaltung eines Teils der Karl-Marx-Allee ist abgeschlossen. Nirgendwo sonst in der Stadt haben RadfahrerInnen so viel Raum wie hier.
„Der Filmtitel da drüben ist ein doch gutes Motto für die Mobilitätswende in unserer Stadt“, sagt Mittes Bezirksbürgermeister Stephan von Dassel (Grüne) und deutet auf das Kino International, wo ein Großplakat für „Niemals Selten Manchmal Immer“ wirbt. Von Dassel bezieht sich auf das Vorkommen sicherer Radverkehrsanlagen in Berlin, deren Häufigkeit derzeit wohl noch irgendwo zwischen „Selten“ und „Manchmal“ einzuordnen wäre.
Zumindest an der Karl-Marx-Allee zwischen Strausberger Platz und Alexanderplatz, wo von Dassel am Montagmorgen mit Verkehrssenatorin Regine Günther (Grüne) und Kulturstaatssekretär Gerry Woop (Linke) steht, ist die Verkehrswende ein gutes Stück weitergekommen: Der Umbau der Ostberliner Magistrale und einstigen DDR-Paradestraße, der im Juni 2018 startete, ist abgeschlossen – und ist nach Ansicht der Beteiligten ein tragfähiger Kompromiss zwischen Verkehr, Stadtentwicklung, Klima- und Denkmalschutz.
„Sicherer, leiser und grüner“ habe man die Allee gestaltet, sagt Günther. Der mit Gräsern bepflanzte Mittelstreifen diene dem Artenschutz sowie als Versickerungsfläche für Niederschläge. In sommerlichen Hitzeprioden könne das zur Abkühlung beitragen und das Wohnquartier „klimarobuster“ machen. Der Radverkehr erhalte derweil mit den neuen, bis zu vier Meter breiten und geschützten Spuren „so viel Platz wie an keiner anderen Stelle Berlins“.
Schneller Belag auf der Radspur
Das freut auch von Dassel, der nach eigenem Bekunden mehrmals in der Woche seinen Arbeitsplatz im Rathaus Mitte hinter dem Kino International mit dem Rad ansteuert und schon seit ein paar Wochen die fertiggestellte Radspur nutzen konnte: „Sie hat einen sehr schnellen Belag, wie wir Rennradfahrer sagen, es ist sehr befriedigend, auf ihr entlangzusausen“, sagte er. „Gleichzeitig ist sie so breit, dass man gut überholen kann, ohne sich wie ein Rowdy vorzukommen.“
Auf einen durchgängig grünen Belag hat die Verkehrsverwaltung unter anderem aus Kostengründen verzichtet, nur Abschnitte sind mit der Signalfarbe markiert. Das ist vielleicht auch weniger notwendig als andernorts, denn AutofahrerInnen werden hier nur noch zu Fuß kreuzen: Der verbliebene Parkstreifen befindet sich links des Radstreifens. Um Dooring-Unfälle zu vermeiden, bei denen BeifahrerInnen die Pkw-Tür ohne Schulterblick öffnen, trennt auch noch ein schraffierter Schutzstreifen die Bereiche.
Um die Sanierung und Neugestaltung des in den 60er Jahren entstandenen „II. Bauabschnitts“ der Karl-Marx-Allee hatte es heftige Debatten gegeben. Vor einem Jahr gab die Verkehrssenatorin nämlich eine entscheidende Umplanung bekannt: Auf dem bisher als Parkplatz genutzten Mittelstreifen sollten künftig bienenfreundliche Pflanzen blühen und Regenwasser versickern. Das stieß manchen AutofahrerInnen sauer auf, aber auch der Landesdenkmalschutz meldete Gesprächsbedarf an: Immerhin ist die Karl-Marx-Allee zusammen mit dem Hansaviertel für den Rang des Welterbestatus angemeldet, und im Original war die Straße nun mal „steinern“.
Mit dem jetzigen Zustand kann aber auch Staatssekretär Gerry Woop gut leben: Er spricht am Montag von einem „befestigten Scharnier“ mit „nicht bepflanzter, flacher Raumgestaltung“, wodurch der ursprüngliche Charakter der Allee weiterhin erlebbar bleibe. Was Woop meint, ist ein gepflasterter Abschnitt des Mittelstreifens dort, wo die Schillingstraße zwischen den von Café Moskau und „Camp4“ genutzten Pavillons auf das Kino International zuführt. Hier ließ der DDR-Staatsrat bei seinen Paraden Panzer und anderes Kriegsgerät aufstellen – aber auch bei Volksfesten wurde die Fläche in der Breite genutzt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kritik am Deutschen Ethikrat
Bisschen viel Gott
Menschenrechtsverletzungen durch Israel
„So kann man Terror nicht bekämpfen“
Trumps Krieg gegen die Forschung
Bye-bye, Wissenschaftsfreiheit!
Altvordere sollen Linke retten
Hoffen auf die „Silberlocken“
Ungelöstes Problem der Erneuerbaren
Ein November voller Dunkelflauten
Habeck vor der Bundestagswahl
Friede, Freude, Wahlkampf