wortwechsel
: Gefangen im Hamsterrad des ewigen Wachstums?

„Grünes Wachstum ist eine Fiktion“, schrieb taz-Autorin Ulrike Herrmann und benannte den weißen Elefanten im Raum: „Ein gewisser Verzicht wäre nötig, um das Klima zu retten“

Was bringt die Zukunft? Szene beim Fridays-for-Future-Protest am 25. September 2020 in Berlin Foto: Sebastian Wells/Ostkreuz

„Klimaziele und Wirtschaftswachstum: Und das Wachstum? Das Wuppertal Institut hat eine Studie für Fridays for Future erstellt. Das wichtigste Thema kommt nicht vor“, taz vom 17./18. 10. 20

System change?

Die Autorin zieht den entscheidenden Schluss: Ans Wachstum müssen wir ran! Und das läuft auf einen zumindest ökonomischen Systemwechsel hinaus. Das hat FfF in großen Teilen erkannt, wenn sie Parolen wie „System change, not climate change“ tragen. Aber wie kommen wir dort hin? Erschütternd ist der Beitrag zudem, denn er bedeutet, dass nie und nimmer das 1,5-Grad-Ziel ohne ökonomische Revolution erreicht werden kann. Nebenbei, es gibt einen kleinen Recherchefehler: Nicht der Endenergie- sondern der Primärenergieverbrauch ist anzusetzen, da er maßgeblich für den CO² Ausstoß ist. Und der ist seit 1990 um circa 14 Prozent (statt 1,3 Prozent bei der Endenergie) gesunken – ein kleiner Lichtblick. Karl-Heinz Ludewig, Berlin

Finanzierung folgt

Die Sorgen um das „Makroökonomische“ (Einkommen, Vermögen, Arbeitsplätze) sind unbegründet. „Was technisch machbar ist, ist finanziell möglich“, schrieb der Ökonom Randall Wray. Ähnlich wie beim New Deal in den 1930ern müssen wir auf die realen Probleme schauen und diese lösen. Die finanzielle Seite der Ökonomie passt sich dann an. Durch das Pandemic Emergency Purchase Programme (PEPP) der EZB beispielsweise können nationale Regierungen heute theoretisch fast unbegrenzte Ausgaben tätigen. Insofern ist es durchaus legitim, was das Wuppertal Institut in seiner Studie macht. Es ist Aufgabe der Politik, die Weichen so zu stellen (in Bezug auf die Geldschöpfung), dass wir den sozial-ökologischen Umbau bekommen – wenn eine Mehrheit der Wählerinnen und Wähler dafür zu mobilisieren ist. Dirk Ehnts, Berlin

Weniger Einkommen?

Liebe Frau Herrmann, Sie haben recht: Wer hat denn einmal durchgerechnet, wie eine verlangsamte, dramatisch weniger produktive Wirtschaft aussehen soll? Das ist nicht nur eine Frage der Arbeitsplätze, sondern auch der Finanzierbarkeit der für unser modernes Leben so wichtigen sekundären und tertiären Bereiche. Schließlich heißt weniger Produktivität auch weniger Einkommen und weniger Steueraufkommen und weniger Beitragszahlungen für Gesundheits- und Altersversorgung. Wenn dann gleichzeitig behauptet wird, die im primären Sektor frei werdenden Arbeitskräfte könnte man in der Pflege, in der Bildung oder anderen sekundären oder tertiären Bereichen einsetzen, dann wird es für mich abenteuerlich.

Ludwig Hoffmann, Wernigerode

Große Konflikte

Es handelt sich hier nicht um eine „Machbarkeitsstudie“, wie dies von Fridays for Future behauptet wird. Es geht den Autoren vorrangig um die Formulierung von „möglichen Eckpunkten, die helfen können, das 1,5-Grad-Ziel bis 2035 zu erreichen“. Das Denkmodell des grünen Wachstums basiert immer noch auf dem Dogma, dass unsere Art zu wirtschaften durch Politik und Regeln umgebaut wird. Es gibt durchaus andere Modelle und Versuche. Die vorgeschlagenen Umbaumaßnahmen der Wuppertaler Studie lassen aber ahnen, dass diese nicht ohne größere Konflikte in der Gesellschaft machbar sind. Nicht energisch zu handeln ist aber wahrscheinlich wesentlich schlimmer!

Ingo Scheulen auf taz.de

Auf nach Rom!

So scheitert alles daran, dass grünes Wachstum nicht funktioniert? Vielleicht wäre es an der Zeit, einen Club zu gründen, der seinen Bericht veröffentlicht unter dem Titel „Grenzen des Wachstums“. War da nicht mal was? Rom wäre doch eine schöne Kulisse dafür, oder? Aber, um über etwas so Abwegiges nachzudenken, ist die Lage wohl noch nicht dringlich genug. Oder könnte uns ein Virus für die Gefahren exponentiellen Wachstums sensibilisieren? Stephan Herrmann auf taz.de

Die Theologenlogik

Keine Partei, die Aussichten auf den Einzug ins Parlament haben will, kann es sich leisten, der Bevölkerung das zu erzählen, was Frau Herrmann hier schreibt, im Kern also: Wir müssen vom Wohlstandsgaranten Wachstum runter, alle werden sich deutlich – und im Gegensatz zu Corona für immer! – einschränken müssen; Lebensversicherungen (also auch ein gehöriges Stück Zukunftsplanung und Sicherheit) sind weg, und ein überzeugendes ökonomisches Konzept für den Übergang fehlt eigentlich auch noch.

Es wundert mich kein Stück, dass die Grünen bis heute mit magischem Denken beim Wähler erfolgreich punkten. Die 20 Prozent, die sie derzeit haben, zeigen deutlich, wie stark verbreitet der Wunsch ist, wie bisher weitermachen zu können – nur bitte in Grün. Aber Theologenlogik war schon immer beliebt:

X wäre schön --> X ist wahr --> Y wäre ja schlimm! --> Y ist falsch. ZMX52 auf taz.de

Wir Parasiten?

Der Mensch ist ökologisch ein Parasit, und sein Bewusstsein nützt ihm nix. Das ist tragisch. Kommentomat auf taz.de

Vielfältige Taskforce

Das Problem ist – verdammt! – dass alles auf Wachstum gebaut ist! Jeder Mensch versteht, dass die Erde endlich ist und damit auch das Wachstum. Nur leider sind alte weiße Männer, die uns die Wirtschaft erklären, nicht willens, über den Rand ihrer Blase zu schauen, flexibel zu denken und die Wahrheit anzuerkennen! Die kommen mit dieser Art zu wirtschaften auch noch bequem durch ihr Restleben, aber nicht unsere Enkel! Wir brauchen eine interdisziplinäre Taskforce zur Erforschung einer Wirtschaft ohne Wachstum, mit gerechter Verteilung des Vermögens und unserer Lebensgrundlagen.

Das ganze System basiert auf Wachstum – aber wie kommen wir da raus?

Claudia Mucha, Wolfsburg