Bienen sind echte Hauptstädter

STADTNATUR Der Honig von Berliner Bienen ist genauso vielfältig wie die Stadt selbst. Das zeigt ein Besuch beim 2. Stadthonigfest in Kreuzberg. Die Zahl der Imker steigt rasch

„In der Stadt ist es wichtig, Bienen zu haben, die auf Sanftheit gezüchtet sind“

MAGDALENA BILLER, IMKERIN

VON VINCENT STREICHHAHN

In ganz Berlin summt es wieder: Rund 700 Imker versuchen, aus ihren Bienen das Süßeste herauszuholen. Ihre Völker stehen im heimischen Garten am Stadtrand, in Wäldchen, auf Hausdächern in der Innenstadt und in allen Bezirken. Auf dem zweiten Stadthonigfest in den Prinzessinnengärten in Kreuzberg stellten sich am Samstag zwölf Imker vor.

Es zeigt sich gleich, dass Bienen nicht unbedingt die nettesten Haustiere sind, die man sich denken kann. Besonders unfreundlich scheinen sie darauf zu reagieren, dass Menschen ihre mit viel Mühe hergestellte Leckerei öffentlich probieren. Im vergangenen Jahr, bei der ersten Ausgabe des Honigfestes, seien die Bienen angesichts zahlreicher herumstehender offener Honiggläser aggressiv geworden, so die Veranstalter. Deswegen darf in diesem Jahr nicht geschleckt, sondern nur gekauft werden. Zumindest offiziell.

Eine der prominentesten Imkerinnen auf der kleinen renaturierten Brache am Moritzplatz ist Erika Mayr. Sie hat bereits ein Buch über ihre Arbeit geschrieben. Es heißt „Die Stadtbienen: Eine Großstadt-Imkerin erzählt“. Die Bienen, die sind ihre Leidenschaft. Das fällt auf, wenn sie nach Worten sucht, um den Reiz ihrer Arbeit zu beschreiben: „Den Leuten ein lokales und gesundes Produkt weiterzugeben“ sei ihr Ansporn, „ja, ich glaub, so kann man das sagen“, erklärt die 38-Jährige. Seit fünf Jahren würden ihre Bienenvölker auf dem Dach eines Atelierhauses nahe dem Moritzplatz stehen. Eigentlich sei es dort zu windig, meint Mayr, aber der Honig schmecke dennoch sehr gut. Überprüfen lässt sich das leider nicht.

Udo Tremmel, Sprecher der Initiative Slow Food, dem Mitinitiator des Festes, hofft, dass die Berliner Imker durch das Fest ein Stück bekannter werden. Eigentlich ist das nicht wirklich nötig, denn das süße Hobby boomt: 2011 waren 679 Imker in Berlin gemeldet, das sind 13 Prozent mehr als noch im Vorjahr. Das bundesweite Wachstum lag bei nur 3 Prozent. Was auch nicht schlecht ist.

Den Bienen gehe es in der Stadt vergleichsweise gut, sagt Tremmel. „Hier gibt es eine lange Vegetationsperiode, während in Brandenburg viele Monokulturen nur ein paar Monate blühen“, erklärt Tremmel. Das kann Imkerin Nicole Röttger aus Steglitz bestätigen. „Sie finden hier nicht die Sortenreinheit wie im Supermarkt, sondern eine Mischung“, so Röttger. Doch gerade diese Vielfalt sei die Stärke des Stadtbienenhonigs, die sich geschmacklich bemerkbar macht. Außerdem stellt sie klar: „Der Honig ist rein: null Umweltgifte.“

An einem anderen Stand steht Magdalena Biller vom Imkerverein Lichtenrade. „In der Stadt ist es wichtig, eine Bienensorte zu haben, die auf Sanftheit gezüchtet ist“, erklärt sie. „Sonst können Sie das den Nachbarn nicht zumuten.“ Sie selbst beherbergt mir ihrem Mann Erwin acht bis zehn Bienenvölker der Rasse Carnica (Apis mellifera carnica). Sie stammt von der westlichen Honigbiene ab (Apis mellifera). Auf rund eine halbe Millionen fleißige Bienen schätzt sie den Bestand. „Nachgezählt haben wir natürlich nicht, das hat man uns gesagt“, sagt Magdalena Biller.

Vermutlich dem guten Zweck und der hageren Erscheinung des Autors geschuldet macht sie auch eine Ausnahme, was das Verkostungsverbot angeht. Probiert werden die Sommer- und die Frühjahresblüte.

Ersterer ist sehr würzig, schnell breitet sich der Geschmack der bernsteinfarbenen Flüssigkeit im Mund aus. Für die herbe Note sei der große Bestandteil von Linde im Honig verantwortlich. Die Frühjahresblüte ist dagegen fast durchsichtig, milder und besteht hauptsächlich aus Robinie und Ahorn. „Die Kinder mögen den milderen lieber“, weiß Biller zu berichten und stellt die Probegläser wieder weg.