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Als ihm ein Meteor ins Auge flog

Bei der Vorstellung des Buchs „Bowie: Ein illustriertes Leben“ im Pfefferberg Theater gab es kitschige Bilder, erflunkerte Geschichten und unterschiedlich gelungene musikalische Annäherungen an das Pop-Chamäleon

David Bowie als Aladdin Sane, wie María Hesse ihn sieht Foto: María Hesse

Von Stephanie Grimm

Och nö, zu teuer, sagt der Freund, der sonst gern auf jedwede Bowie-Veranstaltung geht, als ich ihn zur Präsentation von „Bowie: ein illustriertes Leben“ mitschleppen will, die am Donnerstag nach Stationen in München und Hamburg im Pfefferberg Theater zu erleben ist. Nun, 25 Euro für eine Werbeveranstaltung sind in der Tat steil.

Ausverkauft ist der Abend trotzdem, der an dem aufwendig gestalteten Buch der spanischen Illustratorin María Hesse und des Autors Fran Ruiz – der den Text zu den naiven, oft kitschigen, bisweilen aber durchaus anrührenden Bildern beisteuerte – aufgehängt ist. Oder was in Coronazeiten eben „ausverkauft“ ist: pro Reihe fünf oder sieben Menschen, die für die bezahlen, die nicht da sein können.

Offenbar ist das Publikum hungrig – schon gar, wenn Live-Musik auf dem Programm steht wie an diesem Abend. Die kommt vor allem vom Gitarristen Kristof Hahn, sonst mit der harschen New Yorker Experimentalband Swans unterwegs, er covert zusammen mit dem jungen Songwriter Jesper Munk Stücke aus Bowies experimentelleren Phasen. Kristof Schreuf – ehemals Sänger von Kolossale Jugend und Brüllen und zentrale Figur der Hamburger Schule – hat später dann noch einen Gastauftritt mit „Life on Mars“, was sich aber, gemessen an seinem toll-elegantem Pop-Zitat-Album „Bourgeois with Guitar“ (2010) als eine etwas lieblose Annäherung erweist.

Hahn covert nicht nur seine Lieblingsstücke. Er hat auch das Buch, das hier präsentiert wird, übersetzt und pendelt zwischen Lesetisch und seiner Lap-Steel-Gitarre. Moderiert wird das Ganze von Markus Naegele, Verlagsleiter von Heyne Hardcore. Nach einem einführenden Trailer, einem bunten Ritt durch Bowies Leben, wie Hesse es imaginiert, gehts erst einmal um die Frage, was Hahn und Munk mit dem Künstler verbindet.

Den 1992 geborenen Munk erinnert Bowie zunächst vor allem an Songs, auf die ihn sein Vater aufmerksam gemacht hatte. Die blieben bei ihm seinerzeit allerdings weniger hängen als ganz neue Vorstellungen davon, was man als Mann noch so sein kann, mit denen Bowie sein jugendliches Selbst konfrontierte.

Hahn hingegen kam schon 1980 nach Berlin; Bowie, der in den späten 1970er Jahren selbst eine Weile in der Stadt gelebt hatte, habe großen Anteil daran gehabt, die Stadt zu einem spannenden Ort für Punk- und New Wave-affine Menschen zu machen, erzählt er. Dann landet Hahn schnell bei den billigen Mieten, dem eigentlichen Grund, dass die Subkultur in der Stadt florierte, und bei der inneren Widersprüchlichkeit des Kapitalismus, der Kreativität erst begünstigt, dann aber auch abtöte. „Ich schweife ab“, bremst er sich selbst.

Es sind aber die Abschweifungen und weitgehend gelungenen Songinterpretationen, die den Abend einigermaßen unterhaltsam machen – weniger das Buch, das die Dramaturgie durch vorgelesene Passagen grob strukturiert; dazu werden Illustrationen an die Wand projiziert.

Hahn hält sich an die Kapitel, die Bowies Jugend und die frühen Popstar-Jahre beleuchten. Das erweist sich als gute Entscheidung, wird hier doch von Ruiz, der ganz unverfroren die Ich-Perspektive einnimmt, zumindest offenkundig auf recht surreale Weise geflunkert. So lässt er etwa einen Meteor dem jugendlichen David ins Auge fliegen – ein viel plausiblerer Grund für die verschiedenfarbigen Augen, die zu einer Konstante in Bowies sonst stets wechselndem Erscheinungsbild wurden, als die profane Schulhofschlägerei, von der in Bowie-Biographien zu lesen ist.

Was den Blick auf die späteren Karrierejahre angeht, mutet die plumpe Vertraulichkeit, mit der Ruiz – wenn auch mit Augenzwinkern – die Ich-Perspektive einnimmt, oft allzu glatt, schlicht und arg reduktionistisch an. Offenbar findet selbst Hahn bisweilen seltsam, was er da vorliest. Nach Beschreibung eines Traums, in dem der bisexuelle Alien Ziggy dem mit seiner künstlerischen Identität ringenden Bowie im Traum erscheint, muss er lachen und merkt trocken an: „Genau so war das. Die waren dabei.“

María Hesse & Fran Ruiz: „Bowie: Ein illustriertes Leben“. Heyne Hardcore, München 2020, 168 Seiten, 22 Euro

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