DIE GESELLSCHAFTSKRITIK
: Gerecht ist etwas anderes

Wie kann das sein? Enthüllungsjournalist Günter Wallraff gibt Sozialbetrug zu. Warum ist das so selbstverständlich?

Es ist schon komisch: Günter Wallraff bescheißt den Sozialstaat. Der Enthüllungsautor soll einen Mann illegal beschäftigt haben. 1.000 Euro habe er monatlich erhalten, gibt René F. in einer Selbstanzeige an. Zusätzlich bezog er soziale Leistungen in Höhe von 800 Euro. Die Frage, ob Wallraff Opfer einer Demontage wurde, oder ob es tatsächlich Ausbeutung war, ist wichtig, denn Wallraff steht für das Anprangern sozialer Missstände.

Zumindest gibt Wallraff zu, dem Mann gelegentlich Geld bar ausgezahlt zu haben, da „es sonst gepfändet worden wäre“. Die Frage ist also vor allem: Warum ist es für Wallraff so selbstverständlich, Geld schwarz auszuzahlen. Der Journalist, der zuletzt dem Paketdienstleister GLS Dumpinglöhne vorwarf, müsste es besser wissen: Auch wenn sein ehemaliger „Privatsekretär“ nur die Hälfte von dem verdient hätte, was er angibt, hätte ihm zusätzlich zu den staatlichen Mitteln ein Bruttobetrag von 1.300 Euro zur Verfügung gestanden – ein Traum für jeden Erzieher, Frisör oder Hilfsarbeiter.

Im besten Fall handelt es sich um eine Samaritertat im Einzelfall. Gerecht ist aber etwas anderes. Deshalb kann sich einer, der unentwegt nach einem gerechteren Sozialstaat schreit, Sozialbetrug – und den gibt er zu – schlicht nicht leisten. OPI