Neue Wähler, alte Funktionäre

In den Gewerkschaften und bei den Betriebsräten brodelt es. Immer mehr Arbeitnehmer wollen die neue Linkspartei unterstützen. Die allerdings merkt von ihren neuen Helfern bisher recht wenig

bremen taz ■ „Ich stehe nicht allein“, sagt Herbert Behrens, Gewerkschaftssekretär bei der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di. Er hat in Osterholz-Scharmbeck die Wahlalternative Arbeit und Soziale Gerechtigkeit (WASG) mitbegründet, die mit der PDS eine Listenverbindung für die Bundestagswahl am 18. September eingehen und danach endgültig zur „Linkspartei“ verschmelzen will. Auch unter den Betriebsräten wächst der Unmut über die etablierten Parteien. „Schon lange suchen viele Kollegen nach einer echten Alternative. Die haben jetzt offenbar einige gefunden“, sagt Peter Erlandson, Betriebsrat im Klinikum Links der Weser. Bundesweit hofft die WASG, aus diesem Potenzial schöpfen zu können.

Axel Troost, Gründer der Bremer WASG und Mitglied im Bundesvorstand, bemerkt davon wenig. Es sei „unendlich schwer“, Gewerkschafter und Betriebsräte in Bremen zu aktivieren, viele seien immer noch stark von der SPD geprägt, so Troost, der in Sachsen auf der PDS-Liste kandidiert, weil es hier eine breitere Unterstützung, sprich bessere Wahlchancen, gibt. Auch die organisatorische Unterfütterung stimme. In Bremen und anderen westlichen Bundesländern gebe es jedoch höchstens einzelne Arbeitnehmervertreter, die sich stärker in der WASG engagierten.

Offenbar weiß Troost nicht genau, was sich in den Bremer Betrieben und im öffentlichen Dienst tut. Bei DaimlerChrysler etwa gebe es viele Kollegen, die sich längst von den etablierten Parteien abgewandt hätten und der Wahlalternative zuneigten, wissen Eingeweihte. Im Betriebsratsbüro der Bremer Lagerhaus Gesellschaft (BLG) wird ähnliches erzählt. Sebastian Wriedt, Betriebsrat im Klinikum Bremen-Ost kennt viele, die die WASG wählen wollen, aber kaum jemanden, der sich bei der linken Gruppierung aktiv engagieren will.

Sein Kollege aus dem Klinikum Links der Weser beurteilt das ein bisschen anders. Peter Erlandson denkt selbst darüber nach, sich bei der WASG zu engagieren. Wie vielen seiner Kollegen stinkt dem Betriebsrat die Gesundheitspolitik der etablierten Parteien. „Der Staat spart bei den Krankenhäusern. In Bremen könnten bis zu 1.900 Stellen abgebaut werden. Da ist doch klar, dass die Menschen nach politischen Alternativen suchen.“ Er werde häufig auf die WASG angesprochen, auch wenn er nicht mit seinen politischen Präferenzen hausieren gehe, sagt der etablierte Linke.

Helga Ziegert, DGB-Vorsitzende und SPD-Bürgerschaftsabgeordnete, sieht ebenfalls, dass die WASG bei den Gewerkschaften starke Unterstützung bekommen könnte. Die Gefahr für die SPD, Wähler an die WASG zu verlieren, ist für sie allerdings nicht so groß. „Die profitieren eher von Nichtwählern, ich rechne daher mit einer höheren Wahlbeteiligung“, sagt die Gewerkschafterin. Problematisch sehen viele ihrer Kollegen nicht so sehr die Listenverbindung von WASG und PDS, sondern die angestrebte Verbindung zu einer Linkspartei. Zwar hat die PDS in vielen Betrieben Rückhalt, dennoch sind gerade viele der linken Funktionäre untereinander zerstritten. Eine organisatorische Festigung der neuen linken Partei steht damit auch in Bremen noch aus. Gremienerfahrene Gewerkschafter könnten der Partei helfen, politisch stärker Fuß zu fassen, Kampagnen zu starten, eine Parteistruktur aufzubauen und Mitglieder zu gewinnen. Doch noch trauen sich offenbar zu wenige von ihnen in die Offensive. Zu diffus erscheint ihnen das Bild der Linken in Bremen, die zum Teil seit Jahrzehnten die selben Grabenkämpfe ausfechten und sich bisher noch nie auf eine gemeinsame Linie verständigen konnten.

„Das kann sich auflösen, wenn viele neue und pragmatisch denkende Anhänger in die Wahlalternative streben“, meint Gewerkschaftssekretär Behrens. Doch werden sie sich auch als Parteimitglieder organisieren? Wohl kaum, oder, wie es Betriebsrat Erlandson ausdrückt: „Die Stimmung für die WASG ist gut, viele werden auch an den Wahlkampfständen Broschüren mitnehmen – aber verteilen werden sie die altbekannten Linken.“

Kay Müller