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A 49: „Als wär’ der Putin gekommen“

„Am Wochenende demonstrierten in Hessen Tausende mit dem Fahrrad gegen den Ausbau der A 49 und für den Erhalt des Dannenröder Waldes“, taz vom 5. 10. 20

Ich bin mit ganzem Herzen Vogelsbergerin und schon 62 Jahre, aber so etwas habe ich noch nie erlebt; ich musste am Wochenende auf der Demo in Dannenrod sogar weinen – viele Redner waren da, auch die Tochter des Dannenröder Försters, der den Wald mit Weitblick und Wissen sein ganzes Leben lang zu dem gemacht hat, was er heute ist: ein Vorzeige-Mischwald mit jungen und alten Bäumen, in den Förster aus ganz Deutschland kamen, um zu lernen, wie man so etwas Wunderbares auch woanders hinbekommen kann – und trotzdem damit Geld verdient.

Susanne (60) hat dort einen Großteil ihrer Kindheit verbracht. Es ist wirklich zum Heulen, wie viele Geschichten in so einem Wald stecken. Nächster Redner: der Förster aus dem Nachbarort Kirtorf, der erzählte, dass er frühzeitig Pensionär geworden ist, um sich für den Erhalt dieses Waldes einzusetzen – mit ebenfalls tränenerstickter Stimme.

Vielleicht ist es schwer zu verstehen, aber wir hier im knorrigen Vogelsberg, wir haben nun mal nur die schöne Natur, darin die kleinbäuerliche Landwirtschaft. Die Natur ist unser dickstes Pfund, unsere Heimat, die wir lieben und für die wir kämpfen! Ich arbeite in Marburg in der Uni und muss jeden Tag die B 62 fahren, jetzt begegnet man dort Räumpanzern und Hunderten Polizeifahrzeugen mit Kennzeichen aus der gesamten Bundesrepublik – das fühlt sich unsagbar schlecht an. Mit welcher Macht soll der Bau dieser unsäglichen Autobahn durchgesetzt werden – und kann es bedeuten, dass die Polizei da ist, weil es um viel, viel Geld geht? So wie bei dem ebenfalls unsäglichen Projekt Stuttgart 21, wo auch ein regelrechter Krieg entfacht wurde. Kosten: explodiert.

Es scheint, als wäre der Verstand ausgeschaltet. Wie sagte Frau Merkel: Dann ist das nicht mein Land! Ja genau! Und vor allem nicht meine Politik! Alle müssen wissen, dass hier ein Riesenfehler gemacht wird. Angela Zimmer, Alsfeld

Atommüll, nein danke!

„Niemand will den Müll haben“, taz vom 29. 9. 20

Sicher reißt sich kein Bundesland um den Strahlenmüll. Aber nur aus Bayern kommen Querschüsse zum bundeseinheitlichen, wissenschaftlich begründeten Suchverfahren. Im Gegensatz etwa zu Baden-Württemberg, in das die geeignete Tonformation im Westen Bayerns hineinreicht.

Schon einmal sollten politische Grenzen die Lage des Atom-Endlagers bestimmen. Gorleben wurde gewählt, weil es damals im äußersten Winkel der Bundesrepublik lag, an drei Seiten von der DDR umgeben. Man erwartete dort wenig Widerstand. Auf der Liste der Geologen mit geeigneten Salzstöcken tauchte Gorleben nicht auf. Ihm fehlt nämlich eine durchgehende Deckschicht aus Ton, die den Salzstock vor Wasser schützt. Heute soll die bayerische Grenze nach dem Willen der Landesregierung die nicht geeigneten Flächen markieren, obwohl sie geologisch geeignete Flächen umschließt.

Derselbe Söder, der bei Corona ein bundeseinheitliches Vorgehen fordert, schert aus dem bundesweiten Endlager-Suchverfahren aus. Das qualifiziert ihn nicht gerade als Bundeskanzler. Der muss nämlich das Wohl ganz Deutschlands im Auge haben. Eduard Belotti, Augsburg

Homeoffice – Ende des Kollektivs?

„Liegt das Heil im Homeoffice?“, taz vom 6. 10. 20

Schon mal an Arbeitskämpfe gedacht? Wie sollen die denn organisiert werden, wenn so viele Werktätige zu Hause am Computer sitzen? Keine(r) eurer „pro“- und „contra“-AutorInnen hat überlegt, wie denn kollektiv höhere Löhne oder bessere Arbeitsbedingungen durchgesetzt werden können – von Beschäftigten, die voneinander isoliert sind.

Dass aber ausgerechnet ein sozialdemokratischer Arbeitsminister dieses Unheil im Homeoffice nicht sieht, ist erschreckend. Wie geschichtsvergessen muss die Partei August Bebels mittlerweile sein, die es seit den Weberaufständen eigentlich besser wissen müsste? Wilhelm Bartnik, Bremen