piwik no script img

Cock Rock

Schwanzextension bei der Luftgitarrenmeisterschaft

Die Zeit des Elektrogitarristen als kultureller Heldenfigur liegt weit zurück. Deshalb zählt das Luftgitarrenspielen heute zu den ironischen Sportarten. Volles Haus war bei der „German Air Guitar Federation“ am Samstag in der Kulturbrauerei. 15 Luftgitarristen traten zur deutschen Meisterschaft an, um den Hauptgewinn – eine Reise nach Finnland zur Weltmeisterschaft Ende August – zu erringen.

Geführt von einem professionell schmierigen Conférencier mussten die Air-Gitarreros in einer 60 Sekunden langen Kür zu einem selbst gewählten Musikstück posen. Die meisten Teilnehmer entschieden sich für den phallozentrischen Stil des Cock Rock. Hierbei wird die Gitarre in erster Linie als Körperextension, sprich Schwanzverlängerung, gesehen, die rechte Hand bewegt sich schnell auf Sackhöhe auf und ab, während das Gesicht tantrische Inbrunst, Verzückung oder hässliche Ekstase ausdrückt.

Von Pete Townshends Windmühlenflügeln bis zu Jimi Hendrix’ Zungenspiel wurden alle Archetypen der Rockbühnenmotorik vorgeführt. Interessanterweise bedient sich das Luftgitarrenspiel aber auch bei Figuren aus anderen Sportarten. So kennt man das seitliche Galoppieren an der Gitarre nicht nur von AC/DCs Angus Young, sondern auch als Piaffe aus dem Dressurreiten. Die Rolle vorwärts und der Kniesinker mit Rückenlage kommen aus dem Bodenturnen, aus dem Eiskunstlauf kennen wir die Pirouette und den eingesprungenen Doppelsalcho. Sprungkraft und Beweglichkeit fielen durchweg gut aus, generell schwächelte die Feinmotorik der linken Hand.

„Arschritzenyeti“, der deutsche Meister des Vorjahres, zeigte in seiner Performance die hässliche Seite des Heavy Metal und machte viel mit der Zunge. Originell hingegen der bayrische Teilnehmer Chorche: Auf einem Barhocker mit einer Rose im Mund imitierte er Al Di Meola mit schönen Körperzuckungen. Viel Old School war zu sehen, nur vereinzelt wurden neuere Posen wie das arrogante Kopf-in-den-Nacken-Werfen der Britpopper (Oasis) gezeigt.

Die einzige weibliche Teilnehmerin vereinte in ihrer Performance Courtney Love’sche Großspurigkeit mit shakiraesker Baucharbeit. Wegen des komplizierten Auszählungsmodus lag der Gewinner bei Redaktionsschluss noch nicht fest, Startnummer 7 aus München gilt als Favorit, hatte er doch durch Verstärkerklettern und spontanes Stagediving Traumwertungen erzielt. CHRISTIANE RÖSINGER

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen