heute in hamburg
: „Ein Rückzugsort außerhalb der Wohnung“

Großer Flohmarkt in der Bücherhalle Wilhelmsburg: 6. 10. 20 bis 10. 10. 20 zu den Öffnungszeiten der Bücherhalle, Eintritt frei

Interview Leonie Theiding

taz: Frau von Eitzen, wird eine Bücherei als realer, begehbarer Raum und Treffpunkt in Zeiten von Corona, Kindle und digitalen Medien überhaupt noch gebraucht?

Sabine von Eitzen: Ja, natürlich. Unser Wunsch ist es, als dritter Ort des alltäglichen Geschehens wahrgenommen zu werden; ein Ort, der nicht Arbeit ist, nicht das Zuhause, aber an dem sich Menschen genauso wohlfühlen können. Unsere Direktorin nannte uns vor Corona-zeiten „das Wohnzimmer der Stadt“ und das wollen wir auch bleiben, was natürlich, unter Beachtung aller Hygienemaßnahmen, eine große Herausforderung ist. Trotzdem versuchen wir, uns als Treffpunkt für den Stadtteil zu öffnen, was kein digitales Medium ersetzen kann.

Ist das mit Blick auf Ihren Standort besonders wichtig?

Ich glaube, dass das auf alle Bücherhallen zutrifft. Jedoch ist Wilhelmsburg ein Stadtteil, in dem viele Menschen über verhältnismäßig wenig Wohnraum verfügen. Da ist ein Rückzugsort außerhalb der Wohnung und ein Spaziergang zur Bücherhalle vielleicht noch wichtiger als andernorts.

Was macht Flohmärkte besonders?

Naja, da werden Bücher gekauft, die sonst nie ausgeliehen werden würden. Die KundInnen wollen bestimmte Bücher – Klassiker und zeitlose Literatur – einfach gerne besitzen, obwohl sie sie schon gelesen haben oder nur weil sie irgendwann mal davon gehört haben. Im Gegensatz dazu leihen Mitglieder der Bibliothek aktuelle Bestseller aus. Das ist ein ganz anderes Bedürfnis als das beim Flohmarkt-Stöbern.

Homeoffice, Kurzarbeit und viel mehr Freizeit – da wird schnell mal zu Hause ausgemistet. War das bei Ihnen in der Bücherei auch der Anlass für den Flohmarkt?

Foto: privat

Sabine von Eitzen, 52, leitet die Bücherhalle in Wilhelmsburg.

Das, was die Leute zu Hause ausgemistet haben, bekommen wir oft geschenkt und verkaufen es dann für ein, zwei Euro auf den Flohmärkten. Aber auch die Bibliothek sortiert natürlich regelmäßig Medien aus. Und wir hatten ja nun eine ganze Zeit lang geschlossen; da gucken wir natürlich besonders intensiv nach veralteten Büchern oder welchen, die nicht mehr ansprechend oder gar lesbar sind. Außerdem richten wir uns nach Statistiken, die uns angeben, welche Bücher nicht mehr ausgeliehen werden.

Was ist denn momentan besonders gefragt?

Bei uns ist Kinderliteratur momentan beliebt, Bilderbücher sind der Renner. Wahrscheinlich ist das Vorlesen in Familien wichtiger geworden.