die dritte meinung
: Corona hat Ungleichheit und digitale Mängel an Schulen nur offengelegt, sagt Abdullah Incekan

Abdullah Incekan

ist promovierter Sprachwissenschaftler und Pädagoge. Er studierte Germanistik, Turkologie sowie interkulturelle Pädagogik und veröffentliche zahlreiche Texte in diversen Sprachen über Kurden und die kurdische Sprache und hat Werke von Rilke ins Kurdische übersetzt.

Die Coronapandemie hat tiefliegende Wunden in vielen Gesellschaften sichtbar gemacht. Dazu gehören an erster Stelle die Ressourcenverteilung, Chancengleichheit und Bildungsteilhabe. Das sind Themen, die in naher Zukunft an Relevanz nicht einbüßen werden.

Auch Deutschland war auf diese ­Pandemie nicht vorbereitet; neben vielen anderen Bereichen zeigt der ­schulische Bildungsbereich, wie tief die Probleme sitzen. Insbesondere Schulen an sogenannten sozialen Brenn­punkten hatten seit je zu kämpfen: keine ausreichende Ausstattung, Raum- und Personalmangel, überfüllte Klassen mit Schülerinnen und Schülern, die neben dem Fachunterricht auch Unterstützung anderer Art benötigten.

Doch mit der Pandemie wurde auch klar, dass die Schülerinnen und Schüler in keinerlei Hinsicht auf eine digitalisierte Welt vorbereitet werden. Denn an den meisten Schulen dieser Art fehlt es schon an technischer Ausstattung, die ermöglichen würde, sich mit Inhalten auseinanderzusetzen, die zukunftsrelevant sind.Und während des Lockdowns bestand das Distanzlernen hauptächlich aus PDF-Dateien, die per E-Mail verschickt wurden. Ob sie die Kinder erreichten und wie sie dann überhaupt bearbeitet wurden, hing ganz stark von häuslichen Gegegebenheiten ab – Chancengleichheit? Eher nicht.

Selbstverständlich besteht Medien­kompetenz nicht darin, eine E-Mail zu öffnen und eine PDF-Datei zu bearbeiten. Eine Schule, die Kinder auf die Zukunft vorbereitet, muss eine solide Grundlage haben, um sich mit zukunftsrelevanten Fragen auseinandersetzen zu können.

Aber wenn im 21. Jahrhundert nicht einmal zwei gutausgestattete Computerräume mit Internetzugang vorhanden sind, wird eine Schule sich kaum mit der Frage auseinadersetzen, mit welchen technischen Möglichkeiten man etwa die Deutsch- und Fremdsprachenkenntnisse schulen kann! Die Antwort auf die Frage, warum Google, Apple und Co nicht aus Deutschland stammen, muss auch an den Schulen gesucht werden.