Preise für Menschenrechtler

Alternative Nobelpreise würdigen Kämpfe für Demokratie in Belarus, für Menschenrechte im Iran, für Indigene in Nicaragua und gegen institutionellen Rassismus in den USA

Ein Alternativer Nobelpreis 2020 geht an Ales Bialiatski, den Gründer und Leiter des Menschenrechtszentrums Viasna in Belarus, der hier gegen Lukaschenkos Wahlfälschung demonstriert Foto: HRC Vesna

Von Bernhard Clasen

Vier VerteidigerInnen von Menschenrechten werden mit den diesjährigen „Right Livelihood Awards“, besser bekannt als „Alternative Nobelpreise“ geehrt. Wie die schwedische Right Livelihood Stiftung in Stockholm bekanntgab, gehen die Preise für 2020 an die inhaftierte und bis vor vier Tagen im Hungerstreik befindliche iranische Menschenrechtsanwältin Nasrin Sotoudeh, den US-amerikanischen Bürgerrechtsanwalt Bryan Stevenson, die Aktivistin für die Rechte indigener Menschen und den Umweltschutz Lottie Cunningham Wren aus Nicaragua sowie das Menschenrechtszentrum Viasna und dessen Gründer Ales Bialiatski in Belarus.

Im internationalen Fokus steht derzeit besonders Belarus. Der Anruf aus Stockholm mag für den 58-jährigen Bialiatski überraschend gekommen sein. Aber es ist ein anderer Anruf, den die Weggefährten des bekanntesten belarussischen Menschenrechtlers, seine Frau und sein Sohn nie vergessen werden. Das war am 21. Juni 2014. Damals büßte Bialiatski wegen angeblicher Steuerhinterziehung eine Freiheitsstrafe von viereinhalb Jahren ab, noch ein Jahr hätte er hinter Gittern verbringen müssen. Doch an diesem Tag rief er seine Frau an: Er sei soeben freigelassen worden.

Die russische Menschenrechtlerin Swetlana Gannuschkina, die 2016 den Alternativen Nobelpreis erhalten hatte, erklärte sich die völlig unerwartete vorzeitige Freilassung ihres Kollegen damals mit der Angst, die der belarussische Diktator Alexander Lukaschenko nach der russischen Annexion der Krim im März 2014 bekommen habe. Offensichtlich habe er damals kapiert, dass es nicht gut sei, ein Satellit Moskaus zu sein und hatte als Geste guten Willens Bialiatski so plötzlich freigelassen.

Belarus ist immer noch fest in sowjetischen Traditionen verhaftet. Und Bialiatski sieht sich in der Tradition der sowjetischen Dissidenten. Er hat nie konspirativ gearbeitet. Was er macht, tut er offen und unverdeckt. Seine Weggefährten lieben seine ruhige Art, seine Ironie und Selbstironie. Der Philologe und Lehrer für russische und belarussische Sprache ist in der Oppositionsbewegung aktiv und arbeitet in deren Koordinierungsrat mit. Angefangen hatte er mit seiner Menschenrechtsarbeit aber bereits zu Sow­jetzeiten 1988. 1996 gründete er die Menschenrechtsorganisation Viasna (Frühling), deren Vorsitzender er bis heute ist.

Seit ihrer Gründung hat sie Tausende juristisch beraten und betreut. Inzwischen gilt Viasna als beste Adresse für alle, die sich einen Überblick über die Menschenrechtslage in Belarus verschaffen wollen. Auf ihrem Portal spring96.org finden sich Beiträge gegen die Todesstrafe, zum Strafvollzug und eine Datenbank der staatlichen Verfolgungen. Aktuell finden sich in dieser 1.760 Namen von Personen, die allein im September 2020 aus politischen Gründen zu Geld- oder Haftstrafen verurteilt worden sind.

Der jetzt geehrte Ales Bialiatski war nie konspirativ, sondern stets offen

Auch international ist Bialiatski in der Menschenrechtsszene anerkannt. Namhafte Organisationen wie die russische Memorial, die Zivile Unterstützung, die in Paris ansässige International Federation for Human Rights (FIDH) und Amnesty International arbeiten mit ihm zusammen.

Die Städte Paris und Genua haben Bialiatski zum Ehrenbürger ernannt, 2012 hatte er den Petra-Kelly-Preis der Heinrich-Böll-Stiftung erhalten und im Jahr 2013 verlieh ihm der Europarat den ersten Václav-Havel-Menschenrechtspreis.

Belarussische Offizielle haben den Alternativen Nobelpreis für den bekannten Menschenrechtler bisher nicht kommentiert. Und dies ist auch nicht zu erwarten, hat Ales Bialiatski doch noch vor wenigen Tagen gefordert, all die vor ein Gericht zu stellen, die in den vergangenen zwei Monaten Gewalt gegen Demonstrierende angewandt haben.