Neue Etappe der Atomgespräche beginnt

Die Sechserrunde über das Nuklearprogramm Nordkoreas werden morgen nach 13 Monaten Stillstand wieder aufgenommen. Die Regierung von Pjöngjang verlangt eine Sicherheitsgarantie von den USA, diese verlangen eine Aufgabe der Waffenpläne

AUS PEKING JUTTA LIETSCH

Der Streit um Nordkoreas Atomprogramm geht in eine neue Etappe: Nach 13 Monaten Stillstand treffen die Unterhändler der so genannten Sechsergespräche ab morgen wieder im Pekinger Staatsgästehaus Diaoyutai zusammen, um einen Ausweg aus der Krise zu suchen.

Die Situation ist vertrackt. Im Mittelpunkt steht die Frage, ob die Hauptkontrahenten – Nordkorea und die USA – bereit sind, von ihrer starren Haltung abzurücken, die alle drei vorherigen Gesprächsrunden seit 2003 scheitern ließen. Beide beharren darauf, dass die andere Seite im ersten Schritt Zugeständnisse macht: Washington fordert von Pjöngjang, zunächst sein Nuklearwaffenprogramm zu verschrotten und internationale Inspektoren ins Land zu lassen. Erst dann könne man über ein Ende von Wirtschaftssanktionen und eine diplomatische Anerkennung sprechen.

Dagegen verlangt Pjöngjang zunächst eine Sicherheitsgarantie von den USA – in Form eines Friedensvertrages. Dies würde, so erklärte das nordkoreanische Außenministerium am Wochenende, „automatisch zu einer nuklearen Abrüstung der koreanischen Halbinsel führen“. Formal herrscht zwischen Nordkorea und den USA seit dem Ende des Koreakriegs 1953 nur eine Waffenruhe. Der Herrscher Nordkoreas, der „liebe Führer“ Kim Jong Il, begründet sein Atomprogramm mit der „aggressiven Politik der USA“, die darauf ausgerichtet sei, „das System der Demokratischen Volksrepublik Nordkorea zu zerstören“.

Die USA hingegen sind erst dann zu einer Sicherheitsgarantie bereit, wenn Kim die „strategische Entscheidung“ treffe, seine Atomwaffenpläne aufzugeben, erklärte der Sprecher des Weißen Hauses, Scott McClellan.

Der Weg zu der neuen Gesprächsrunde – an denen neben hochrangigen Diplomaten Nordkoreas, der USA und dem Gastgeber China auch Vertreter Südkoreas, Japans und Russlands teilnehmen – war erst vor wenigen Tagen frei geworden: US-Außenministerin Condoleezza Rice hatte bei einem Peking-Besuch mehrfach erklärt, die USA erkennten die „Souveränität“ Pjöngjangs an und planten nicht, in Nordkorea einzumarschieren – eine Vorbedingung Pjöngjangs für die Rückkehr an den Verhandlungstisch.

Die Chinesen, traditionell engste Verbündete Nordkoreas, schickten ihren höchsten Außenpolitiker, Staatsrat Tang Jiaxuan, nach Pjöngjang. Tang hat, so vermuten Experten in Peking, die verarmten Nachbarn mit der Zusage, mehr Wirtschaftshilfe zu schicken, nach Peking gelockt.

Was die Situation so brenzlig macht: Niemand weiß genau, ob Pjöngjang nur blufft oder ob es die Bombe tatsächlich besitzt, wie es im Februar behauptete. Seit dem Abbruch der Verhandlungen im Juni 2004 ist Nordkorea als erstes Land der Welt aus dem internationalen Atomsperrvertrag ausgestiegen. Es hat zudem Brennstäbe aus seinem Kernkraftwerk Yonbyon ausgetauscht, aus denen es Plutonium für Bomben gewinnen kann. Allerdings hat Nordkorea bislang keine Atombombe getestet.

Amerikanische Experten halten es für möglich, dass Pjöngjang mittlerweile bis zu acht Atomwaffen gebaut hat. Damit wächst die Gefahr, dass die Nordkoreaner künftig Bombenmaterial ins Ausland verkaufen, um ihre leeren Kassen aufzufüllen. Da die nordkoreanischen Atomfabriken tief in Berghöhlen liegen sollen, wäre der Versuch, sie militärisch zu zerstören, wie konservative Kreise in den USA fordern, wenig Erfolg versprechend – und könnte katastrophale Folgen für die Region haben.

Peking hofft auf die Einsicht von US-Präsidenten George W. Bush, dessen harte Politik des Alles oder Nichts gegenüber dem „Schurkenstaat“ bisher keinen Erfolg gebracht hat. Nordkorea ist heute keineswegs isolierter als früher: Aus Angst vor einem Zusammenbruch des verarmten Landes, dessen Folgen unabsehbar wären, haben China und Südkorea das Kim-Regime in den letzten Jahren mit Brennstoff, Lebensmitteln und Dünger vor dem Zusammenbruch bewahrt.