Neu anfangen

In der „Holsten Schwemme“ sorgt an diesem Nachmittag Walter für die musikalische Untermalung. Sein Musikgeschmack scheint zu gefallen, keiner an der Bar nölt, Ute grölt sogar und animiert zum Ouzotrinken und mitsingen. „Ute macht Stimmung, hat eine Kodderschnauze und ist seit acht Jahren hier angestellt“, erzählt Walter. Tagsüber arbeitet sie bei Edeka. Sie gehörte schon in der alten „Schwemme“ zum Inventar, ist mit der Kneipe umgezogen.

Als das alte Haus abgerissen wurde, stellte der Vermieter Inhaberin Rosi neue Räume zur Verfügung. Die haben sie alle gemeinsam auf Vordermann gebracht. „Jeder der Lust, Zeit und ’n büschn Ahnung hatte, hat da mit angepackt“, sagt Ute. Heute ist der Laden so, wie sich der Tourist eine typische Kiez-Kneipe vorstellt: Knoten und Rettungsringe an den Wänden, alte Schiffslampen und Segelbootmodelle auf den Tischen. Dazwischen Bilder von denen, die mitgeholfen haben. Viele von ihnen sind Seeleute, die die Utensilien mitgebracht haben, die den Laden heute schmücken.

Auch Walter ist zur See gefahren – als Kapitän der Bundesmarine. Früher sei er nie in Kneipen gegangen, sagt er. Da brauchte er einen klaren Kopf. Heute genießt er es, in die Schwemme zu gehen und nachmittags seine Freunde auf ein Bierchen zu treffen. Oder zwei. „Is wie nach Hause kommen“, sagt er. „Ich bin froh, dass die neue Räume bekommen haben, ist ja nicht selbstverständlich hier auf St. Pauli.“

Wie lange die Stammgäste noch vereint an der Theke sitzen werden, ist nicht klar. St. Pauli wird immer teurer. Irgendwann können sie da nicht mehr mithalten, fürchten sie. Allerdings haben sie für sich Sorgen machen nicht viel Zeit, denn sie haben ein neues Projekt: den Eingang freundlicher gestalten. „Sieht ja nicht so richtich muggelich aus“, sagt einer und bestellt noch eine Runde. Ute schreibt auf. Sie weiß, wer heute nicht bezahlt, kommt spätestens am Anfang des Monats, um seine Rechnung zu begleichen. „Vertrauensbasis is’ das Stichwort.“  ALW