das portrait
: Thailändische Aktivistin Panusaya Sithijirawattanakul bricht ein Tabu

Foto: getty images

Mit bis zu 15 Jahren Haft musste Panusaya Sithijirawattanakul rechnen, als sie am vergangenen Wochenende bei einer Demo in Bangkok das Wort an König Vajiralongkorn richtete. Denn die direkte Ansprache des hauptsächlich in Bayern residierenden Monarchen könnte ihr nach thailändischem Recht als Majestätsbeleidigung vorgeworfen werden. „Ich weiß, dass ich Gefahr laufe, ins Gefängnis zu kommen, gefoltert zu werden oder sogar zu sterben“, wird Panusaya in The Jakarta Post zitiert. Dabei klingt das Motto der 21-jährigen Aktivistin wie eine Selbstverständlichkeit: „Alle Menschen haben rotes Blut, wir unterscheiden uns nicht.“

Panusaya, Sprecherin der Student Union of Thailand, steht an der Spitze anhaltender Proteste für mehr Demokratie in dem südostasiatischen Königreich. Neben Zehntausenden Studierenden sind es Anhänger*innen von Ex-Premier Thaksin Shinawatra und LGBTQ*-Aktivist*innen, die seit Monaten gegen die Verflechtungen von Monarchie und Militärjunta im ganzen Land auf die Straße gehen.

Seit einem Putsch 2014 ist Gewalt gegen Oppositionelle nahezu an der Tagesordnung. 2019 schließlich wurde die Future Forward Party verboten, für die über sechs Millionen, insbesondere junge Menschen, gestimmt hatten: Eine Initialzündung für den organisierten Widerstand, der sich einer Vielzahl popkultureller Referenzen bedient. „Er, dessen Name nicht genannt werden darf“, der Bösewicht in den Harry-Potter-Romanen also, dient als Chiffre für den König. Mit dem Hashtag #MilkTeaAlliance nehmen die Aktivist*innen Bezug auf die Demokratiebewegungen in Hongkong und Taiwan, wo ebenfalls süßer Milchtee getrunken wird.

Ende August schon hatte die Soziologiestudentin Panusaya eine Harry-Potter-Brille auf der Nase, die zehn Forderungen der Studierenden – darunter das Anliegen einer neuen Verfassung und die Auflösung der Militärjunta – öffentlich vorgetragen und damit ein nationales Tabu gebrochen. Am Sonntag dann marschierte sie auf das Gebäude des königlichen Rates zu, um die Forderungen schriftlich zu übergeben, wurde aber von der Polizei gestoppt. Dass die königlichen Wachleute den Brief an ihre Vorgesetzten weitergeben wollten, werteten die Demonstrant*innen als „Sieg“. Zu Gewalt kam es Berichten zufolge nicht. Die nächste Kundgebung soll am Donnerstag stattfinden.

Im Jahr 1998 wurde Panusaya in Nonthaburi in eine Mittelschichtfamilie geboren, die eine Autowerkstatt betreibt. Ziemlich unpolitisch sei sie aufgewachsen, sagte sie kürzlich der New Straits Times. Mit zehn Jahren habe sie jedoch erlebt, wie ihr gesamtes Viertel auf die Straße getrieben wurde, um die königliche Autokolonne zu grüßen. „Ich erinnere mich daran, dass ich dachte: ‚Warum muss ich rausgehen? Warum müssen die mich und andere Leute zum Niederknien zwingen?‘“

Stefan Hunglinger

Weitere Infos zu und aus den Sozialen Bewegungen finden Sie auf taz.de/bewegung