Kleiner ist hier besser

Im echten Leben: Die Verleihung des Nachwuchsfilmpreises „First Steps“ im Holzmarkt war kürzer, jünger, amüsanter und persönlicher als früher

Von Jenni Zylka

Eine echte Preisverleihung! Mit anschließendem Umtrunk! Wie schön. Fast, nur fast ist es am Montagabend, als wäre die Welt wieder wie immer („normal“ ist schon lange das falsche Wort für ihren Zustand). Vor der Verleihung des Nachwuchspreises „First Steps“ stehen richtige Menschen im Hof des Holzmarkts herum, viele in schönen Kleidern und ebensolchen Masken. Letztere muss man zwar für den Sekt kurz zur Seite schieben, aber das ist besser, als allein zu Hause das anzuschauen, was die Kamera einem gnädig zeigt.

Dabei geht es beim First Steps ja eigentlich genau darum, was eine Kamera einem zeigt, nur eben nicht gnädig, sondern bestimmt: Erst­lings­regisseur*innen werden geehrt, die kurze, lange und mittellange Filme inszeniert haben – manche sind damit bereits auf Überholkurs. Sandra Wollner mit ihrem Siegerspielfilm „The Trouble with Being Born“ zum Beispiel, der erfolgreich in der Encounters-Reihe der diesjährigen Berlinale lief. Und dessen Subtilität beunruhigend und faszinierend sogleich ist: Ein Mann betreut ein künstliches Mädchen, ein KI-Kind, als sei es seine Tochter. Und dieser fragwürdig-intime Zustand ist nicht das einzig Gruselige an der Geschichte, die von Wollner mit sicherer Hand erzählt wird. Später steht die Regisseurin am Mikrofon vor der Pflanzendeko, die der Bühne eine hübsch-irritierende Urwaldatmo verleiht, und moniert das „Schüren von Ängsten“ der Regierung ihres Landes Österreich.

Auch andere sind politisch, genauso wie ihre Filme – der Produzentenaward „No Fear“ geht an „Trading Happiness“, eine Produktion der Film-Uni Konrad Wolf – zwei Tage zuvor hatte Regisseur Duc Ngo Ngoc für sein unter schwierigen Umständen entstandenes, dringliches Mutter-Tochter-Porträt schon einen Goldenen Reiter beim Kurzfilmfest Dresden mitgenommen, das coronafrei als Präsenzfestival punktete. Die First-­Steps-Preisträger*innen kommen also aus dem Lächeln kaum heraus – auch wenn man das momentan nur an den Augen sieht. Aber man muss es den widrigen Umständen lassen: Der gesamten Veranstaltung stand ihre Verkleinerung auf weniger Gäste und die Konzentration auf Videobotschaften (nur die Gewinner*innen durften natürlich auf die Bühne) hervorragend – die Show war kürzer, jünger, amüsanter und persönlicher. Und damit passender.

So ein Abstand, der – wie in der alten Venue, dem Theater des Westens – zwischen der großen Bühne und den ersten Publikumsreihen besteht, distanziert eben auch. Und ist eh größer als die geforderten anderthalb Meter. Den früheren Sponsor Mercedes vermisste man ebenfalls kaum – bei früheren Preisverleihungen wirkten seine klar wirtschaftlich ausgerichteten Vertreter*innen in der mit politisch woken und zukunftskritischen Teilnehmer*innen gefüllten Show meist wie Fremdkörper.

Jetzt muss nur noch das Problemchen mit der Konsummöglichkeit, nämlich den Kinos selbst, gelöst werden: Die tollsten Preise nützen nichts, wenn später keine*r reingeht. Der Senat hat zwar zwischenzeitlich seine Zwei-Plätze-Abstandsregel zugunsten einer Ein-Platz-Abstand-aber-Maske-Auflassen-Regel geändert, sodass die Säle wieder halbvoll gemacht werden könnten. Doch sowohl die Filme als auch die Besucher*innen kleckern nur zaghaft herein. Im letzten Jahr saßen Mitte September über zehn Millionen mehr Menschen in den Kinos Deutschlands. Jetzt sitzen alle zu Hause vor den Bildschirmen. Oder, noch unverständlicher, freuen sich draußen über die blöde Hitze.