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: Zu Hause erholt es sich am besten

Urlaub in Coronazeiten: Gerade diskutieren sie Tests für „Rückkehrer“ an Flughäfen und Grenzen. Überall gibt es wieder Reisewarnungen, und was noch vor wenigen Wochen sogenannte sichere Urlaubsziele waren, wird wieder dichtgemacht und runtergefahren. Nicht besonders überraschend: Warum sollte sich so ein Virus im Urlaub zurückhaltender zeigen als im Rest der Zeit?

An meinem ersten Arbeitstag nach dem Urlaub kommt die Frage: „Und, wo warst du?“ Ich „war“ nicht. Schon im Urlaub, aber nicht verreist. Erst da habe ich gemerkt, dass Urlaub und Verreisen quasi Synonyme sind. Wer Urlaub hat, fährt weg. Dabei muss das gar nicht sein.

Mein Urlaub, immerhin gut zwei Wochen, war sehr spontan und sehr erholsam. Unter anderem waren wir am Großen Stechlinsee, am Templiner See, am Liepnitzsee, am Malchower See, an der Kiesgrube in den Arkenbergen, am Huwenowsee, am Wutzsee, am Gudelacksee. Überall ließ es sich gut schwimmen. Meist fast allein.

Alle diese wunderbaren Seen liegen im Umkreis von Berlin, sind gut mit Regionalzügen und Fahrrad zu erreichen, was weder lange dauert noch teuer ist. Man muss auch nichts vorher buchen, sondern kann es spontan von Lust und Wetterlage abhängig machen. Wir hatten belegte Brote mit und Mineralwasser, unterwegs gab es Kaffee, Eisbecher und Fischbrötchen. So günstig habe ich noch nie einen Sommerurlaub verbracht. Nebenbei habe ich mir angesehen: Fürstenberg an der Havel, Potsdam, Werder, Lindow, Löwenberg, Rheinsberg, Neuruppin, die restaurierte Altstadt von Gransee, die Stadtmauer in Bernau und das Gästehaus der Bundesregierung in Meseberg. Viele Fahrradwege sind perfekt ausgeschildert, fast überall gibt es Infotafeln zu lokalen Sehenswürdigkeiten. Das Beste an allem: keine zu weichen Matratzen, kein mühsames Zeltaufbauen – sondern abends Rückfahrt nach Berlin, duschen und ab ins gemütliche eigene Bett.

Natürlich gibt es hier und da noch Verbesserungsbedarf: Fahrkarten für den Regionalverkehr am Automaten zu kaufen ist mühsam und langwierig. Einige Züge haben extrem wenig Platz für Fahrräder. Und die Gastronomie ist gerade in kleineren Dörfern noch sehr ausbaufähig. Aber das kann ja noch werden.

Nebenbei habe ich noch ein paar andere Dinge erledigt: die Gartenlaube abgeschliffen und gestrichen zum Beispiel. Mehrere Kilo Blaubeeren und Himbeeren aus Brandenburger Wäldern zu Marmelade verkocht. Berliner Freibäder besucht. Bücher gelesen. Und für den Garten hatte ich auch viel mehr Zeit, weil ich erstmals zur Haupterntezeit nicht verreist war.

Natürlich kam ab und an das Fernweh durch: Eigentlich hatten wir Freunde in Moskau besuchen, dann für ein paar Tage nach St. Petersburg fahren und eine Woche Badeurlaub auf der Kurischen Nehrung in Litauen machen wollen. Dann kam Corona. Wir verabschiedeten uns von allen Plänen und sprachen nur manchmal davon, wie schön es gewesen wäre.

Und dann dachte ich an meine Mutter: Mitte der 50er Jahre hatte sie sich mit ihrem ersten selbst verdienten Geld eine Reise an den Gardasee geleistet. Ihreneinzigen Auslandsaufenthalt im ganzen Jahrzehnt. Ansonsten erholte sie sich zu Hause.

Ich stellte fest, dass dieser Urlaub in Berlin und Brandenburg vor allem genau das war: ausgesprochen erholsam. Keine Sicherheitschecks an überfüllten Flughäfen, keine vollen Züge. Kein lästiges Kofferpacken, keine unbequemen Betten. Und vor allem: kaum andere Menschen, keine Hektik, sondern große Ruhe. Sollte es im Urlaub nicht genau darum gehen?

Gaby Coldewey